Die Tochter der Wanderhure
Achilles wegen Kibitzstein einen Krieg mit Würzburg beginnen würde. Und selbst wenn der Ansbacher käme, würde es für sie zu spät sein.
Der Fürstbischof schien seinen Leuten nach dem Marsch keine Pause zu gönnen. Während ein Teil der Soldaten die Ochsen ausspannte, machte sich ein anderer daran, die Bettungen für die Geschützrohre aufzubauen. Am nächsten, spätestens am übernächsten Tag würden die Mäuler der Kanonen schwere Steine gegen die Kibitzsteiner Mauern schleudern.
Das Geschütz, welches Michi von Schweinfurt hierhergeschmuggelt hatte, wies ein kleineres Kaliber auf und vermochte die feindlichen Kanonen nicht zu erreichen.
»Wir werden sie nicht daran hindern können, uns zusammenzuschießen, und wir können auch keine Ausfälle mehr machen, denn der Feind ist uns an jeder Stelle überlegen und würde uns sofort in die Zange nehmen.«
Michi merkte selbst, wie mutlos er klang, und lachte spöttisch auf, um diesen Eindruck zu verwischen. »Unsere Mauern sind fest und werden dem Beschuss einige Zeit standhalten. Wenn die Kerle wirklich stürmen, werden wir ihnen einen sehr heißen Empfang bereiten.«
»Also kämpfen wir?«, fragte Marie zweifelnd.
»Diese Entscheidung müsst Ihr treffen. Ihr wisst selbst, wasEuch blüht, wenn Ihr Euch ergebt. Magnus von Henneberg hat überall herumposaunen lassen, Ihr müsstet barfuß und im Büßerhemd diese Gegend verlassen. Falko würde wahrscheinlich in einem Kerker des Fürstbischofs enden und der Rest von uns als leibeigene Knechte des hohen Herrn!«
Noch während er diese Worte aussprach, begriff Michi, dass er eher kämpfend untergehen wollte, als sich selbst, seine Mutter und seine Geschwister als Unfreie zu sehen.
Falko schüttelte die Fäuste gegen den Feind. »Ich kämpfe! Für meine Familie und für Kibitzstein!«
Nach einigen tiefen Atemzügen nickte Marie ebenfalls. »Auf eine so beschämende Weise werden wir uns nicht ergeben. Dennoch sollten wir beim Bischof anfragen, ob er zu Verhandlungen bereit ist. An die Hilfe des Brandenburgers glaube ich nämlich erst, wenn sein Banner den Weg von Prichsenstadt heraufgetragen wird.«
10.
T rudi, Peter von Eichenloh und ihre Leute folgten von Graz aus zunächst dem Tal der Mur aufwärts bis Sankt Michael, um von dort ins Tal der Liesing einzubiegen und dann mit den Wassern der Enns der Donau zuzustreben.
Ihr erstes größeres Ziel war Linz. Aber auch dort hielten sie sich nur eine Nacht auf. Am nächsten Morgen brachen sie schon in aller Frühe auf, um donauaufwärts bis Passau zu reiten und von dort über Regensburg weiter nach Nürnberg zu ziehen. Diesmal war es ein anderes Reisen als auf dem Hinweg. Zwar besaß Trudi selbst kaum mehr Geld, doch Friedrich III. hatte Eichenloh für die Eroberung von Teiflach gut belohnt, so dass dessen Kriegskasse gefüllt war. Daher brauchten sie unterwegs weder zu hungern noch zu frieren und waren auch nicht gezwungen, die Nächte,die doch noch recht kühl zu werden vermochten, im Freien zu verbringen.
Es hätte eine angenehme Reise sein können, doch der Wille, Kibitzstein so rasch wie möglich zu erreichen, trieb sie vorwärts, und so gönnten sie den Burgen und Städten an ihrem Weg kaum mehr als einen beiläufigen Blick. Die Anstrengungen setzten Mensch wie Tier gleichermaßen zu, und Peter von Eichenloh fragte sich immer wieder, was er mit seinen erschöpften Kriegern und den abgetriebenen Pferden würde erreichen können.
Schlug er jedoch vor, langsamer zu reiten, regte Trudi sich auf und schrie ihn an, es ginge um das Leben und das Schicksal ihrer Familie.
Auch an diesem Tag hatte sie sich an die Spitze des Trupps gesetzt und gab ein Tempo vor, das Quirin den Kopf schütteln ließ.
»Vielleicht kommen wir auf diese Weise rechtzeitig an, aber das wird wohl auch alles sein.«
Peter nickte mit düsterer Miene. »Ich fürchte, wir werden gar nichts ausrichten können. Glaubst du, die Leute des Bischofs werden sich von uns paar Hanseln daran hindern lassen, Kibitzstein zu erobern?«
»Was ist denn mit dir los? So mutlos kenne ich dich gar nicht. So wenig zu fürchten sind wir auch wieder nicht. Immerhin sind wir die Eichenloher!« Peters Bemerkung hatte Quirins Widerspruchsgeist geweckt, und im Augenblick sah er ganz so aus, als wolle er das Heer des Fürstbischofs allein in die Flucht schlagen.
Einige der Reiter stimmten ihm grimmig zu, und Junker Peter stellte erleichtert fest, dass weder der anstrengende Ritt noch die Aussicht, einem vielfach
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