Die Tochter der Wanderhure
dass der Wind sich zu drehen begann, denn einige der Neuankömmlinge trugen das Kibitzsteiner Wappen auf ihren Gewändern. Also gehörten sie zu der scharfzüngigen Jungfer, und der Edelmann, den sie begleiteten, musste Reichsritter Michel Adler sein, jener Mann, der sich mit seiner Tapferkeit im Böhmischen Krieg Kaiser Sigismunds besondere Huld erworben hatte.
Peter von Eichenloh warf Trudis Vater einen forschenden Blick zu. Der Ritter war kein junger Mann mehr, wirkte aber immer noch kräftig und kampferprobt, und der zärtliche Blick, mit dem Michel Adler seine Tochter bedachte, ließ ihn bedauern, mit der Jungfer Streit angefangen zu haben. Sollte das scharfzüngige Weibsstück seinen Vater gegen ihn aufhetzen, würde Blut fließen.
»Gebt endlich Ruhe, Männer!«, befahl er seinen Begleitern.
Quirin musterte die Männer, die die fremde Jungfer nun umgaben, und machte ein grimmiges Gesicht. »Auch neun von dieser Sorte flößen mir keine Furcht ein.«
»Fürchten tue ich mich auch nicht. Aber es würde nicht bei diesen Gegnern bleiben. Denkt daran, heute ist Markttag. Da achten die Männer des hiesigen Vogts streng darauf, dass der Marktfriede gehalten wird.«
Ein anderer Söldner warf einen schiefen Blick auf zwei Büttel, die im Stehen ihren Wein tranken, ihre Blicke durch die Gaststube wandern ließen und auch immer wieder durch das Fenster nach draußen schauten. »Junker Peter hat recht! Wenn wir den Edelmann dort verletzen oder gar umbringen, hängt man uns kurzerhand auf!«
Die Söldner nickten und versuchten, Quirin zu beruhigen. Keiner der Männer war feige, und sie hatten schon manche Wirtshausschlägerei siegreich bestanden. Aber hier standen ihre Aussichten allzu schlecht.
Während Eichenloh sich scheinbar nur für das Fleisch vor sich und die Gespräche an seinem Tisch interessierte, beobachtete er, wie Michel liebevoll seine Tochter begrüßte und sich zu ihr und der Frau, die seine Beschließerin sein mochte, an den Tisch setzte. Sofort eilte die Schankmaid mit einem vollen Weinkrug herein und füllte ihm den Becher. Kaum weniger lang dauerte es, dann stand ein großes Stück Schweinebraten vor dem Ritter. Wie es aussah, war Adler hier regelmäßig zu Gast und wohlgelitten.
Sogar die Büttel des Vogts hatten ihn beim Eintreten höflich gegrüßt, und Eichenloh empfand auf einmal Neid auf das Ansehen, das der Mann genoss.
Gleichzeitig ärgerte er sich, weil es jetzt so aussah, als müssten er und seine Leute mit eingezogenem Schwanz abziehen. Das schadete seinem Ansehen in der Truppe, und er sah sich schon gezwungen, einigen seiner Männer die Achtung vor ihm mit der Faust einzubleuen.
Zu dem Problem, die Disziplin unter seinen Soldknechten aufrechtzuerhalten, gesellten sich weitere Sorgen. Zwar roch es in dieser Gegend nach mehr als einer noch unausgesprochenenFehde, doch wenn er die Situation gewinnbringend ausnutzen wollte, musste er sich in dem Beziehungsgeflecht der landbesitzenden Standesherren auskennen. Bei seinem Besuch auf Graf Magnus’ Burg hatte er erfahren, dass der Kibitzsteiner sein Land gegen die Begehrlichkeiten des neuen Bischofs verteidigen musste. Daher juckte es ihn in den Fingern, nun doch in Würzburger Dienste zu treten, um der Spottdrossel von einer Jungfer zu zeigen, dass sie jemanden wie ihn nicht ungestraft beleidigen durfte. Dafür aber würde er sein Knie vor Gottfried Schenk zu Limpurg beugen müssen, und der war ihm alles andere als freundlich gesinnt.
Michels Anwesenheit brachte Eichenlohs Männer dazu, sich manierlicher zu benehmen und nicht mehr wie eine Horde Schweine zu schmatzen. Jedem von ihnen war bewusst, dass sie nur dann als Söldner von Wert waren, wenn ihre Knochen heil blieben, und so enthielten sie sich jeder weiteren Provokation. Quirins Zorn war ebenfalls verraucht, aber er blickte immer wieder zu der Jungfer hinüber, die ebenso hübsch wie scharfzüngig war. Gerade erzählte das Mädchen ihrem Vater mit sichtlichem Stolz von ihren Einkäufen und dem Geschick, das die Bedienstete neben ihr beim Feilschen bewiesen hatte.
»Ein hübsches Ding, aber mit einer Zunge, die man ihr abschneiden müsste«, raunte Quirin seinem Anführer zu.
»Der gehört kräftig der Hintern versohlt!«, sagte Junker Peter in einem Ton, als würde er diese Aufgabe auf der Stelle übernehmen. Dann winkte er ab, befahl der Schankmaid, noch einen Krug Wein zu bringen, und wischte sich mit dem Rest des Brotes das Fett von den Fingern.
»Kommt, Leute, trinken wir
Weitere Kostenlose Bücher