Die Tochter der Wanderhure
dieser mit Schauen fertig war. Er war stolz auf seine Halle, die Marie mit großer Liebe und viel Aufwand eingerichtethatte. An der Stirnseite befand sich ein neuer Kamin, der klafterlange Baumstämme aufnehmen konnte, aber jetzt noch nicht eingeheizt wurde, und an den Wänden standen große Truhen mit schweren Eisenbeschlägen, die nicht nur den Wohlstand der Besitzer präsentierten, sondern auch geringeren Gästen als Sitzgelegenheiten dienten, sollten die Stühle an der langen Tafel nicht ausreichen.
An einem Tag wie diesem war die Halle viel zu groß für Marie, Michel und ihren Gast. Doch der Dieboldsheimer gehörte nicht zu den Leuten, die Marie gerne kommen sah, und so hatte sie darauf verzichtet, ihn in das gemütlich eingerichtete Erkerzimmer zu führen, in dem sie ihr nahestehende Menschen empfing. Dennoch befahl sie ihren Mägden, den besten Wein zu kredenzen und ein reichliches Mahl aufzutischen. Ritter Ingobert sollte ruhig sehen, dass man mit sparsamer Wirtschaft und einem klugen Kopf durchaus zu Wohlstand kommen konnte.
Schon Ingoberts Vater hatte sich schwergetan, seinen Stand zu halten, und der Sohn gab weitaus mehr für sich und seine Gemahlin aus, als er sich eigentlich leisten konnte. Dabei hatte der alte Dieboldsheimer den Besitz vor seinem Tod noch einmal geschmälert, um seinen jüngeren Sohn Ingold mit einer stattlichen Mitgift zu versehen. Schließlich hatte dieser eine Dame aus dem Geschlecht derer von Wittelsbach geheiratet, und da gehörte es sich nicht, dass der Bräutigam nicht mehr in die Ehe brachte als sich selbst und die Gaben, die einem Zweitgeborenen zustanden: ein Reittier, eine Rüstung und ein Schwert. Ingomar von Dieboldsheim hatte zu diesem Zweck eines seiner Dörfer an Marie und Michel verpfändet, und seitdem flossen die Einnahmen aus dieser Liegenschaft nicht dem Erben des früheren Herrn, sondern Kibitzstein zu.
»Schön habt Ihr es hier!«, sagte der Dieboldsheimer, nachdem er sich sattgesehen hatte.
Marie reichte ihm einen Becher Wein. »Auf Euer Wohl!«
»Und auf das Eure!« Ritter Ingobert stürzte den Wein in einem Zug hinab und stellte den Becher zurück. Dann schnaufte er und sah seine Gastgeber aus zusammengekniffenen Augen an. »Ich bin letztens in Würzburg gewesen!«
Zu einer anderen Zeit wäre das keine bemerkenswerte Neuigkeit gewesen. Sowohl von Kibitzstein wie auch von Dieboldsheim konnte man die Bischofsstadt in zwei Tagen erreichen. Marie und Michel waren in den Jahren, in denen Johann von Brunn dort geherrscht hatte, häufig dorthin gereist.
»Ich war auch auf dem Marienberg!« Jetzt wurde der Dieboldsheimer deutlicher, denn in dieser Festung residierte der Fürstbischof.
»Seine Ehrfürchtigkeit, Herr Gottfried Schenk zu Limpurg, hat mir die Ehre einer Audienz erwiesen. Es ging um eine Entschädigung für Kriegsaufwendungen, die mein Großvater von dem damaligen Bischof Johann von Egloffstein hätte bekommen sollen. Mein Vater lag mit Würzburg meistens über Kreuz und vermochte daher seine Forderungen nicht durchzusetzen.«
Um Michels Lippen spielte ein Lächeln. Johann von Brunn war keiner gewesen, der gerne Geld zurückbezahlt hatte. Um seine aufwendige Hofhaltung und gelegentliche Fehden finanzieren zu können, hatte der Bischof weitere Schulden angehäuft und sogar die Stadt Kitzingen an den Markgrafen von Ansbach verpfändet.
»Nun? Wie stellt Herr Gottfried sich zu Euren Forderungen, Nachbar?«, fragte er gespannt.
Ritter Ingobert blickte seine Gastgeber herausfordernd an. »Der Fürstbischof hat erklärt, dass sie rechtens seien, da mein Großvater für Herrn Johann von Egloffstein in den Kampf gezogen ist. Allerdings hat er mir die Summe nicht in barem Geld ausgezahlt, sondern mir einen Anspruch des Hochstifts auf Euer Dorf Spatzenhausen überschrieben, das der frühere Reichsritter auf Kibitzstein verpfändet hat.«
Maries Gesicht färbte sich dunkel, und Michel sah aus, als würde er den Gast am liebsten beim Kragen packen und zur Tür hinausschleifen. Da er aber keinen offenen Bruch mit dem Dieboldsheimer herbeiführen wollte, bemühte er sich, höflich zu bleiben. »Ich fürchte, Ihr habt Euch von dem Würzburger übers Ohr balbieren lassen. Kaiser Sigismund hat mir das Reichslehen Kibitzstein ohne alle Verpflichtungen übergeben, und alle Nachbarn, darunter auch Würzburg, haben ihre Zustimmung erklärt. Die Verpfändung Spatzenhausens, so sie je geschehen sein sollte, war ab diesem Tag Vergangenheit.«
»Da müsst Ihr Euch
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