Die Tochter der Wanderhure
irren, Ritter Michel, denn in einem solchen Fall hätte Seine fürstbischöfliche Hoheit mir diese Urkunde nicht überreicht. Seht her! So ist es geschrieben, und nirgends steht ein Verweis darauf, dass die Verpfändung erloschen wäre!« Ingobert von Dieboldsheim zerrte an seinem Wams und holte ein vergilbtes Papier heraus. Nachdem er es umständlich entrollt hatte, hielt er es Marie und Michel hin.
Als Michel es in die Hand nehmen wollte, zog der Dieboldsheimer es sofort wieder zurück.
Um Michels Mundwinkel erschien ein harter Zug. »Ihr habt wenig Vertrauen zu mir, Nachbar. Aber ich bleibe bei meinen Worten. Der Fürstbischof hat nicht den geringsten Anspruch auf Spatzenhausen. Ich besitze eigene Urkunden, die das ausschließen.«
Marie nickte heftig, sagte sich aber, dass sie in Zukunft noch besser auf ihre Unterlagen achtgeben musste. In ihrer Jugend hatte sie erlebt, wie Urkunden gestohlen und durch gefälschte ersetzt worden waren.
Ritter Ingobert begriff, dass er Michel und Marie nicht einfach überfahren konnte, und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich fordere mein Recht! Hier steht es geschrieben, und wenn Ihr es nicht anerkennen wollt, werde ich Euch auf andere Weise dazu zwingen!«
»Auch leichtfertig ausgesprochene Drohungen hallen lange nach!« Michel hatte sich jetzt wieder in der Gewalt und blickte seinen Nachbarn von oben herab an. »Ich werde die Angelegenheit prüfen lassen.«
»Das übernimmt das Gericht in Würzburg!«, trumpfte der Dieboldsheimer auf.
»Dort führt der Fürstbischof das Wort. Aber als freier Reichsritter hat mein Gemahl das Recht, den Kaiser selbst anzurufen, und das wird er auch tun!«
Ingobert von Dieboldsheim keuchte vor Wut. In seinen Augen war Michel ein Mann aus der Gosse, und dies bewies er jetzt wieder. Ein echter Edelmann hätte die Urkunde akzeptiert und ihm sein Geld gegeben.
»Das werdet Ihr bereuen! Herr Gottfried Schenk zu Limpurg hat mir nämlich erklärt, dass das Hochstift Würzburg auch ein Pfandrecht auf Euer Dorf Habichten besitzt und er selbst Eure Ansprüche auf die Herrschaft Windach, den Hof Bergreuth und Euren Anteil an Markt Ingersdorf als fraglich erachtet.«
Michel zuckte zusammen, doch Marie begriff, dass Ingobert von Dieboldsheim in seiner Erregung Dinge ausgeplaudert hatte, die der Fürstbischof noch eine Weile vor ihnen hatte verbergen wollen. Auf eine erkannte Gefahr konnten sie sich vorbereiten, und in diesem Augenblick war Marie bereit, ihre Seele dem Teufel zu verkaufen, um den gierigen Bischof ins Leere greifen zu lassen.
Ihr Mann war ähnlicher Ansicht, überlegte aber, ob sie wenigstens teilweise auf die Forderung des Dieboldsheimers eingehen sollten, um den Ritter als Verbündeten zu gewinnen. Doch so, wie der Mann sich gebärdete, hatte er sich wahrscheinlich schon in die Schar der Speichellecker des Würzburger Bischofs eingereiht. Ihm ging es wohl weniger um die zweifelhaften Rechte an Spatzenhausen als darum, das Dorf, das sein Vater an Kibitzstein verpfändet hatte, auf billige Weise zurückzubekommen. Angewidert von dem Verhalten seines Nachbarn, stand Michel auf.
»Ich werde mich mit Eurer Forderung befassen und einen erfahrenen Advocatus zu Rate ziehen. Bis dorthin bleibt alles so, wie es ist. Und nun ist es wohl an der Zeit, dass Ihr Euch verabschiedet, Herr Ingobert. Ihr werdet von mir hören!«
»Ihr von mir auch!« Der Dieboldsheimer schäumte, weil er unverrichteter Dinge abziehen musste.
Michel und Marie begleiteten ihn nicht bis auf den Hof, wie es bei einem geehrten Gast Sitte war, sondern blieben in der Halle und traten dort ans Fenster. Von dort aus sahen sie, wie der Mann sich auf sein Pferd schwang, dem Knecht, der ihm den Zügel reichte, einen Fußtritt versetzte und seinem Hengst die Sporen brutal in die Flanken stieß.
Als er in den Schatten des Torbogens tauchte, drehte Marie sich zu Michel um. »Am liebsten hätte ich diesen Kerl in den Arsch getreten!«
»So derb solltest du dich nicht ausdrücken, mein Schatz. Aber ich muss zugeben, dass es mich ebenfalls in den Fußspitzen gejuckt hat. Ich habe geahnt, dass Ingobert uns Schwierigkeiten machen würde, aber ich wollte dennoch versuchen, eine offene Feindschaft zu vermeiden.«
»Er ist dem neuen Fürstbischof in den Hintern gekrochen! Ich frage mich nur, was Gottfried Schenk zu Limpurg sich dabei denkt. Er weiß doch selbst, dass all seine Ansprüche nur aus heißer Luft bestehen.«
Michel lachte bitter auf. »Nicht, wenn er sie durchsetzen
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