Die Tochter der Wanderhure
sehen!«
Diese Kritik kam jedoch nicht gut an, denn Trudi hob die Hand, als wolle sie die vorlaute Magd schlagen. »Pass auf, was du sagst! Auf Windach sehen Reimo und Zdenka nach dem Rechten, und die sind treu wie lauteres Gold!«
Erschrocken zog Uta den Kopf ein. Sie hatte nicht daran gedacht, welch große Stücke die Herrschaft auf das Paar hielt, das Herrn Michel vor vielen Jahren das Leben gerettet haben sollte.
»Verzeiht, Herrin, ich wollte wirklich nichts gegen die beiden sagen. Aber ich würde mich freuen, wenn Ihr bald auf Eurer eigenen Burg schalten und walten könntet. Kessnach soll ja an Lisa gehen, obwohl die Burg größer ist, und das Fräulein ist nicht einmal Eure richtige Schwester.«
Utas Versuch, den Zorn ihrer Herrin von sich abzulenken, ging jedoch ins Leere, da Trudi genau wusste, dass die Herrschaft Kessnach einst Lisas Großvater gehört hatte. Deswegen war dieser Besitz von ihrer Mutter von Anfang an als Mitgift für ihre Pflegetochter vorgesehen worden. Sie selbst war einmal auf Kessnach gewesen und sehnte sich nicht danach, auf einer solch abgelegenen Burg in den Waldbergen zu leben.
Unterdessen war Utas Korb erneut voll, und sie wanderte zum Karren, um ihn dort auszuleeren. Da sie noch nicht einmal mittelgroß war, tat sie sich schwer damit und raunzte den jungen Knecht an, der bei ihnen geblieben war. »Kannst du mir nicht helfen, Lampert? Du siehst doch, dass ich nicht so hoch reichen kann!« Der Bursche eilte sofort herbei, um ihr den Korb abzunehmen.»Du hast ihn aber auch ganz schön gefüllt. Kein Wunder, dass du dich beim Heben schwertust!« Sein Lob besänftigte Uta, und daher schenkte sie ihm ein Lächeln. Lampert war zwar nicht ungewöhnlich groß, aber er überragte sie um einen ganzen Kopf. Sein Gesicht wirkte ehrlich und bieder und war auch hübsch genug, um ihr zu gefallen. Kurzgeschnittenes, dunkelblondes Haar bedeckte seinen Kopf, und der Griff seiner Hände war fest, wie sie bemerkte, als er die ihren kurz festhielt.
»Aber hoppla, für was hältst du mich?«, sagte sie und entzog ihm ihre Hände.
»Für ein hübsches Mädchen«, antwortete er fröhlich.
Uta reckte ihre Nase in den Himmel. Sie war eine Hausmagd, die nur deshalb bei der Weinlese mithalf, weil ihre Herrin dies wollte. Für einen einfachen Hofknecht war sie sich zu schade.
Eine der anderen Mägde, ein dralles Ding um die zwanzig, kam auf ihn zu und stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Die Uta schaut einen wie dich nicht an, Lampert. Da musst du dich schon an unsereins halten.«
Der Knecht kniff die Lippen zusammen. Zwar war die Magd, die ihn so auffordernd ansah, nicht hässlich und deutete mit ihrer Haltung an, dass sie nichts gegen ein paar hübsche Augenblicke auf dem Heustock einzuwenden hätte, doch Uta gefiel ihm weitaus besser. Allerdings war sie sehr von sich eingenommen, und er würde zäh um sie werben müssen. Im Augenblick aber lag ihm etwas anderes auf dem Herzen, und er trat auf Trudi zu.
»Verzeiht, wenn ich Euch anspreche, Herrin! Aber findet Ihr es nicht auch seltsam, dass sich niemand aus dem Kloster bei uns sehen lässt? In früheren Jahren sind immer ein paar der Stiftsdamen oder ihre Knechte hierhergekommen, um ein Schwätzchen mit uns zu halten.«
»Mir kommt das auch komisch vor!«, warf eine der älteren Mägde ein. »Heuer tun die Stiftsleute gerade so, als wollten sie nichts mit uns zu tun haben.«
Trudi zuckte mit den Achseln. »Das liegt wahrscheinlich an der neuen Oberin. Wie es heißt, passt es der Dame nicht, dass ihre Vorgängerin einen Teil des Stiftguts an uns verpfändet hat. Sie hat nicht einmal die Höflichkeit besessen, uns auf Kibitzstein zu besuchen oder meine Eltern ins Stift einzuladen, damit sie sie kennenlernen können.«
Für Trudi war die Sache damit erledigt, doch Lampert wiegte zweifelnd den Kopf. »Mir gefällt das Ganze nicht! Als ich mich vorhin etwas umgeschaut habe, standen etliche Leute beim Wirtschaftshof des Stiftes herum und starrten zu uns herüber. Ich habe aber nur Männer gesehen, keine Mägde und auch keine Stiftsdamen.«
»Du sollst weniger in der Gegend herumschauen, sondern uns helfen, damit wir hier fertig werden. Ich kriege nämlich Hunger«, wies Uta ihn zurecht.
»Den habe ich mittlerweile auch«, bekannte Trudi.
»Wir haben eine kleine Vesper dabei. Wenn Ihr wollt, Herrin, können wir jetzt Pause machen und etwas essen.« Eine der Mägde holte einen großen Korb, den sie im Schatten abgestellt hatte. Trudi betrachtete den
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