Die Tochter der Wanderhure
fast vollen Karren, maß die Wegstrecke, die sie damit bis nach Kibitzstein zurücklegen würden müssen, und nickte.
»Stärken wir uns! Es dauert sonst zu lange, bis wir etwas zu essen bekommen.«
Sie setzte sich auf den Boden und zog den Korb zu sich heran. Die Mägde und Lampert gesellten sich zu ihr und nahmen das Essen entgegen. Ein Laib Brot und ein Messer gingen von Hand zu Hand, so dass sich jeder ein Stück abschneiden konnte, dazu gab es Käse und glänzenden Speck. Eine Magd schenkte Wein aus einem Krug in die Becher und entschuldigte sich bei Trudi, als sie ihr das einfache Ledergefäß reichte.
»Es mag sein, dass Euch dieser Trunk nicht so mundet. Es ist halt Gesindewein und nicht der für die Herrschaften.«
Trudi hatte den Mund voll und musste erst den Speck kauen und mit einem Schluck aus dem Becher hinunterspülen. »So sauer ist der Wein auch wieder nicht. Zumindest erfrischt er«, sagte sie und wollte sich nachschenken lassen.
Da erhob sich hinter ihnen ein wildes Gebrüll. Trudi fuhr hoch und sah ein Dutzend Männer mit Knüppeln auf sie zustürmen. »Verschwindet von unserem Grund und Boden, ihr Kibitzsteiner Gesindel, sonst machen wir euch Beine«, schrie ein junger Bursche, der seiner Kleidung nach ein Edelmann sein musste.
Die Mägde blickten Trudi verstört an, und Lampert fluchte. »Die Schurken wollen unseren Karren haben – samt den Trauben, die wir bis jetzt gelesen haben!«
Diese Worte weckten die Mägde aus ihrer Starre, und sie sprangen auf. Die Becher rollten über den Boden, der Weinkrug fiel um, und der restliche Laib Brot kollerte den Hang hinab.
Trudi fragte sich, weshalb ihr all diese nebensächlichen Dinge ins Auge stachen, während ihr Kopf schwirrte und sie keinen einzigen klaren Gedanken zustande brachte. Zorn breitete sich wie eine Feuerlohe in ihr aus. So einfach würde sie sich nicht verjagen lassen!
Mit energischen Schritten trat sie den Kerlen entgegen. »Was soll das Geschrei? Ihr stört uns bei der Arbeit!«
»Beim Fressen, meinst du!« Der junge Edelmann starrte sie grinsend an. »Du könntest mir gefallen, Mädchen. Komm mit mir zur Seite, und ich lasse dich danach samt dem anderen Weibsgesindel gehen. Der Knecht bekommt allerdings die Tracht Prügel, die ihm zusteht.«
»Du bist wohl nicht ganz richtig im Kopf!«, schäumte Trudi. »Es ist unser Recht, hier Wein zu lesen! Verschwinde mit deiner Rotte, sonst werden wir uns bei der Oberin beschweren.«
Doch Graf Otto lachte nur und gab seinen Männern einen Wink. Nun schwärmten Kerle aus und versuchten, die Mägde einzufangen. Die Frauen begriffen, was die Angreifer mit ihnen vorhatten,und ergriffen kreischend die Flucht. Auch Uta und Lampert rannten davon, aber Hennebergs Leute waren ihnen dicht auf den Fersen.
Graf Otto packte Trudi mit einem schmerzhaften Griff und zog sie an sich. Sie roch seinen säuerlichen Atem, sah in seine glasigen Augen, und ihr wurde klar, dass der Mann betrunken genug war, um jede Hemmung verloren zu haben. Mit einem Mal bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie riss sich los, wurde aber sofort wieder eingefangen. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Uta und Lampert Fangmich mit ihren Verfolgern spielten, während die anderen Frauen verzweifelt in Richtung Kibitzstein rannten und dabei aus vollen Kehlen schrien. Doch bis man oben auf der Burg bemerkte, was hier los war, und ihnen Hilfe schickte, würde es für sie zu spät sein.
Trudi begriff, dass ihr nur ein Mensch helfen konnte, und das war sie selbst. Sie kämpfte ihre Panik nieder und ließ es zu, dass der Mann ihren Busen abfingerte. Sollte er ruhig glauben, dass sie vor Angst gelähmt sei. Das kam ihren Absichten entgegen. Unterdessen war Uta ihren Verfolgern entschlüpft und versuchte, Trudi zu Hilfe zu kommen. Sie packte einen Erdbatzen und schleuderte ihn auf den Angreifer. »Lass meine Herrin los, du Schurke!«
Wäre Otto nicht betrunken gewesen, hätte er spätestens jetzt erkannt, dass ihm keine einfache Magd gegenüberstand, sondern ein Fräulein von Stand. So aber wehrte er das Wurfgeschoss mit dem Arm ab und brüllte einen seiner Knechte an, das lästige Weib einzufangen. Dann warf er den Knüppel weg, den er noch immer in der Hand hielt, und versuchte, sein Opfer zu Boden zu drücken.
Trudi ließ sich fallen, zog den Angreifer mit sich und wand sich schneller unter ihm hervor, als er reagieren konnte. Noch im Aufstehen riss sie den Dolch aus seinem Gürtel und richtete die Waffe gegen ihren Besitzer. Der
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