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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Mann schien sie nicht ernst zunehmen. Obwohl die Dolchspitze auf seine Kehle zeigte, griff er nach ihr und versuchte, ihr die Beine wegzuziehen.
    »Das würde ich an deiner Stelle bleiben lassen«, warnte Trudi ihn. »Und jetzt rufe dein Gesindel zurück, bevor ich es mir anders überlege!«
    Otto von Henneberg war zu betrunken, um zu begreifen, dass das Mädchen ihm tatsächlich Widerstand leisten wollte, und versuchte, die Hand mit dem Dolch beiseitezuschieben. Im selben Augenblick schrie Uta auf. Einem der Angreifer war es gelungen, sie einzufangen. Nun warf er sie rüde zu Boden, schlug ihr den Rock hoch und warf sich auf sie. Da erreichte Lampert ihn und packte seine Beine, um ihn von Uta wegzuzerren. Im gleichen Moment hob ein anderer Knecht den Knüppel und schlug Lampert rücklings nieder.
    Trudi sah dies aus den Augenwinkeln, während sie Hennebergs Händen auswich. »Wenn du nicht hören willst, musst du fühlen!«, fauchte sie ihn an und wollte den Dolch in den halb offen stehenden Hosenlatz stoßen. Der Kerl sollte nicht mehr in der Lage sein, einem Weib Gewalt anzutun. Mit einem eher erstaunten Ausdruck griff er nach unten und versuchte, die Stelle mit den Händen zu schützen. Da zog Trudi, die nun doch vor einer Entmannung ihres Gegners zurückschreckte, ihm die Klinge quer durchs Gesicht.
    Graf Otto schrie vor Schreck und Schmerz auf und presste beide Hände so fest auf die Wunde, dass das Blut zwischen seinen Fingern hindurchquoll.
    Trudi wandte ihm bereits den Rücken zu und wollte Uta zu Hilfe eilen, die sich wie eine Wildkatze zur Wehr setzte. Da erkannte der Knecht, der Lampert niedergeschlagen hatte, wen er vor sich hatte, und stieß einen Schreckensruf aus. »Die Jungfer von Kibitzstein!«
    Seine Worte ernüchterten sämtliche Angreifer, die sich noch in der Nähe befanden. Da der Hilgertshausener Wirtschaftshofund Kibitzstein Nachbarn waren, kannten die meisten Trudi und hatten in früheren Zeiten manch freundliches Wort mit ihr und ihren Leuten gewechselt. Vor allem aber wussten sie um die Liebe, mit der Ritter Michel an seiner Tochter hing. Vergriffen sie sich an ihr, würde er sich fürchterlich rächen. Einer riss seinen Kameraden hoch, der Uta vergewaltigen wollte, und zeigte schreckensbleich auf das Mädchen.
    »Das ist die Jungfer von Kibitzstein, Michel Adlers Tochter! Der Ritter wird uns für das, was wir getan haben, ausweiden lassen.« Trudi hielt den Dolch stoßbereit. »Ich werde danebenstehen und zusehen. Und jetzt verschwindet, Gesindel! Den Preis für euren hinterhältigen Angriff wird mein Vater euch nennen!«
    Ein Unbeteiligter hätte sich sehr gewundert, zu sehen, wie es einem einzelnen Mädchen mit einem blutigen Dolch in der Hand gelang, einem Dutzend mit Knüppeln und Messern bewaffneter Kerle heilige Furcht einzuflößen. Die Ersten verschwanden so rasch, als hofften sie, bisher nicht erkannt worden zu sein. Andere standen wie angewurzelt und ließen ihre Blicke ratlos zwischen ihrem Anführer und Trudi hin- und herwandern.
    Graf Otto kniete auf dem Boden und versuchte immer noch, das Blut, das inzwischen seine Haare und sein Wams färbte, mit den Händen zu stillen. Es sah so schlimm aus, dass Trudi schon befürchtete, sie habe den Mann auf den Tod verwundet. Doch dann erhob er sich und stolperte blind umher, weil das Blut seine Augen verklebt hatte. Mit einem höhnischen Auflachen fuhr sie seine Leute an. »Nehmt dieses Jammergestell mit, sonst bringe ich es nach Kibitzstein und lasse es im Keller verrecken!«
    Die Kerle zuckten zusammen und rannten ebenfalls davon, statt sich um den Verwundeten zu kümmern. Nur ein Einzelner besann sich nach ein paar Schritten, kehrte um und wich Trudi dabei in großem Bogen aus.
    Er erreichte Henneberg gerade in dem Augenblick, in dem dieser sich einer der großen Stützmauern des Weinbergs näherte undin die Tiefe zu fallen drohte. Der Knecht hielt ihn fest und schob ihn hastig von der Kante weg. »Kommt, Herr, ich bringe Euch nach Hause. Die ehrwürdigen Schwestern werden gewiss gleich einen Wundarzt rufen oder Euch selbst verarzten.«
    Uta hatte sich inzwischen erhoben und sammelte in ihrer Wut Steine und Erdbrocken, mit denen sie Henneberg und den Knecht bewarf. Dabei beschimpfte sie die beiden Männer in einer Weise, dass es selbst Trudi zu viel wurde. Sie packte den Arm ihrer Magd und hielt sie zurück. »Lass die Kerle! Die haben genug und werden wohl nicht vergessen, dass ein Mädchen sie in die Flucht geschlagen

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