Die Tochter der Wanderhure
hat!«
Trudi genoss nun die Situation, obwohl sie vor Schrecken und Aufregung am ganzen Körper zitterte. So knapp war sie noch nie einem Verhängnis entronnen.
Inzwischen hatten die übrigen Mägde gemerkt, dass der Wind sich gedreht hatte. Zwei von ihnen, die zu langsam gewesen waren, um den Hilgertshausener Knechten zu entgehen, rieben sich die Scham mit Grasbüscheln sauber und schimpften dabei wie Rohrspatzen.
»Das Stift wird euch Genugtuung verschaffen, das verspreche ich euch!«, erklärte Trudi und wies dann auf den Karren. »Packt mit an. Wir sollten verschwinden, bevor diese Kerle es sich anders überlegen. Morgen werden wir unseren Wein im Schutz von Schwertern lesen.«
Ihre Begleiterinnen nickten eifrig und halfen Lampert auf die Beine, der wieder zu sich gekommen war. Obwohl er sich mehrmals übergeben musste und sich alles um ihn drehte, half er Trudi, den zweirädrigen Karren im Gleichgewicht zu halten, denn auch er wollte die Trauben nicht als Beute für die Hilgertshausener zurücklassen. Die Mägde schoben und zogen das Gefährt, und alle wetteiferten miteinander, Flüche zu finden, die auf die Angreifer und die wortbrüchigen Stiftsdamen passten.
Inzwischen war man auf Kibitzstein aufmerksam geworden, und Zdenkas und Reimos Sohn Karel, der als Michels rechte Hand galt, hatte schnell einige Bewaffnete zusammengerufen, mit denen er Trudi und ihrer Gruppe entgegeneilte. Als er sah, dass keine Gefahr mehr drohte, befahl er seinen Männern, den Mägden beim Schieben des Karrens zu helfen. Dann trat er neben Trudi, die aufatmend losgelassen hatte und nun hilflos auf den Dolch starrte, den sie immer noch umklammert hielt.
»Was ist geschehen? Das sah ja aus wie ein Überfall!«
»Das war auch einer«, fauchte Trudi ihn an.
»Aber …«, begann Karel, doch sie schnitt ihm das Wort vom Mund ab.
»Warte, bis wir oben sind. Ich will nicht alles zweimal erzählen müssen!«
15.
A ls Trudi ihren Bericht beendet hatte, glühte Michel vor Zorn. Er ballte die Fäuste, und sein Blick suchte Marie, die so düster wie eine Gewitterwand wirkte und sichtlich mit ihren Gefühlen kämpfte.
»Ich wusste zwar, dass die neue Oberin auch einen neuen Stiftsvogt benennen wollte, aber ich hatte erwartet, der Mann würde sich wie ein guter Nachbar verhalten und das Gespräch mit uns suchen. Nie und nimmer hätte ich mir vorstellen können, dass er wider alles Recht unsere Leute verjagen und unsere Mägde seinem Gesindel überlassen würde.« Michels Stimme klang hart, und doch war sein Zorn nur eine kleine Flamme im Vergleich zu dem Feuer, das in Marie loderte.
»Du hättest den Schuft gleich töten sollen, Trudi. So wird er nur auf Rache sinnen.«
Michel legte den Arm um seine Tochter, die mit kalkweißem Gesicht neben ihm stand. »Trudi hat richtig gehandelt. Ein Toter würde die Sache nur noch schlimmer machen. So aber können wir als Geschädigte vor die Äbtissin treten und Vergeltung fordern.«
»Sie wird sie verweigern. Soviel ich erfahren konnte, handelt es sich bei diesem Weib um eine entfernte Verwandte unseres alten Feindes Rumold von Lauenstein. Daher dürfte sie uns von vorneherein feindlich gesinnt sein.«
Für einige Augenblicke überdeckten die Schatten der Vergangenheit Maries Gedanken, und sie erinnerte sich an die erbitterte Fehde, die sie und Michel mit Rumold von Lauenstein und seiner Tochter Hulda hatten ausfechten müssen. Rumold war in Nürnberg wegen etlicher Verbrechen hingerichtet worden, sein Besitz war an den Pfalzgrafen zurückgefallen. Bereits als sie gehört hatte, wer zur neuen Äbtissin von Hilgertshausen ernannt worden war, hatte sie Schwierigkeiten erwartet, sich aber nicht vorstellen können, dass Klara von Monheim auf eine offene Fehde aus sein würde.
Michel schüttelte seine Benommenheit ab. »Wenn der Bischof glaubt, er könnte uns auf diese Weise kleinkriegen, so hat er sich getäuscht. Ich werde mein Recht zu wahren wissen, und wenn ich Gott und den Rest der Welt um Unterstützung ansuchen muss.«
»In wenigen Tagen findet die Hochzeit auf Fuchsheim statt. Dort werden wir viele unserer Freunde treffen und uns mit ihnen beraten können. Nach diesem Überfall wird jeder von ihnen erkennen müssen, mit welchen Mitteln Seine Ehrlosigkeit Gottfried Schenk zu Limpurg die bischöfliche Macht auszubauen versucht!«
Marie wurde ebenfalls langsam ruhiger und legte sich bereits die Worte zurecht, mit denen sie die noch zögernden Standesherren in diesem Teil Frankens auf ihre
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