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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Zaum als früher, aber nun klang sie wieder so, als habe sie etwas sehr Dummes angestellt.Michel stand auf, nahm ihr die schwere Weinkanne aus der Hand und rang sich ein Lächeln ab. »Das ist genug Wein, um mehreren Männern schwere Köpfe zu verschaffen. Willst du mich etwa betrunken machen?«
    Es gelang ihm nicht, Trudi zum Lachen zu bringen, und das war ein schlechtes Zeichen. Was immer auch seine Tochter getan hatte, musste schwer auf ihrer Seele liegen.
    »Komm mit! In der Erkerkammer können wir ungestört miteinander reden.«
    »Danke, Papa!« Trudi ging mit hängendem Kopf hinter ihm her und blieb an der Tür zur Erkerkammer stehen, während Michel Platz nahm und sich einen Becher Wein einschenkte. Als er sich zu ihr umdrehte, erschrak er über ihr bleiches Gesicht und die zuckenden Lippen und winkte ihr energisch, sich neben ihn auf die Bank zu setzen.
    Als sie saß, reichte er ihr den Becher. »Trink du erst einmal einen Schluck. Du siehst aus, als hättest du eine Stärkung bitter nötig.«
    Trudi nahm das Gefäß entgegen, erinnerte sich jedoch sofort daran, wie Georg von Gressingen sie im Fuchsheimer Wald zum Trinken angestiftet hatte, und setzte es mit einem Laut des Unmuts ab. Entschlossen, sich durch nichts mehr aufhalten zu lassen, stand sie wieder auf, schloss die Tür der Erkerkammer und schob den Riegel vor.
    Michels Besorgnis stieg, und als Trudi die Hände knetete und nach einem Wort suchte, mit dem sie beginnen konnte, bat er sie, geradeheraus zu sagen, was sie bedrückte.
    »Papa, erinnerst du dich noch an unseren letzten Besuch in Fuchsheim?«, brachte sie mühsam heraus.
    Michel nickte grimmig. »Nur allzu gut! Ritter Ludolf hatte uns eingeladen, um eine gemeinsame Haltung gegen Würzburg zu beschließen. Herausgekommen ist kaum etwas. Allein der wackere Abt Pankratius von Schöbach stand auf meiner Seite,doch das ist kein Wunder, denn er wurde damals schon offen bedrängt und hat Unterstützung gesucht. Maximilian von Albach aber wollte uns alle dazu bewegen, uns dem Würzburger zu unterwerfen, und Gressingen, von dem ich mir Unterstützung erhofft hatte, schwänzte die Besprechung wie ein dummer Junge.«
    Es war wohl kein guter Gedanke gewesen, Vater an jenen Fehlschlag zu erinnern, fuhr es Trudi durch den Kopf. Gleichzeitig aber schrie alles in ihr danach, Gressingen zu verteidigen. Mutiger, als sie sich fühlte, stand sie vor ihrem Vater und blickte ihm in die Augen. »Herr von Gressingen hat nicht an der Besprechung teilgenommen, weil er mich auf einen Spaziergang begleitet hat. Dabei sind wir in den Wald geraten und …«
    Sie stockte kurz, atmete tief durch und presste die nächsten Worte so rasch hervor, als hätte sie Angst, sie sonst nicht mehr aussprechen zu können. »Dabei ist etwas furchtbar Unziemliches zwischen uns geschehen!«
    Es dauerte einige Augenblicke, bis Michel die Tragweite dieses Geständnisses begriff. Er starrte seine Tochter an, die wie das Fleisch gewordene schlechte Gewissen vor ihm stand und bereit schien, jede Strafe hinzunehmen. Ihre Haltung verhinderte, dass er zornig auffuhr und Trudi auf der Stelle züchtigte. Stattdessen zwang er sich zur Ruhe und versuchte, seine wirbelnden Gedanken zu ordnen.
    »Erzähle mir genau, was geschehen ist!«, bat er sie, in der Hoffnung, seine Tochter habe in ihrer Unerfahrenheit aus einem Hasen einen Bären gemacht.
    Es fiel Trudi schwer, die nächsten Worte zu sprechen. »Wir haben getan, was verheiratete Männer und Frauen miteinander tun.«
    »Du hast also deine Ehre im Wald von Fuchsheim fortgeworfen!« Michel gab sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen.
    »Herr Georg hatte geschworen, mich als seine Gemahlin heimzuführen«, verteidigte Trudi sich und ihren Geliebten.
    »Das hätte er zuerst tun sollen. So aber hat er wie ein Lump an dir gehandelt!«
    Trudi brach in Tränen aus. »Junker Georg ist kein Lump! Bestimmt hätte er bereits um mich angehalten, wenn dieser schreckliche Bischof ihm nicht die Heimat weggenommen hätte!«
    Michel erinnerte sich daran, dass Marie von Gressingens Charakter nicht viel gehalten hatte. Leider hatte sie sich als die Weitsichtigere erwiesen. Am liebsten hätte er sich auf sein Pferd geschwungen, um den Übeltäter zu suchen und mit eigener Hand für diesen üblen Streich zu bestrafen. Aber er wusste, dass er mit dieser Handlungsweise einen Skandal entfachen würde, dessen einzige Geschädigte seine eigene Tochter sein würde.
    »So leicht kommt Gressingen mir nicht davon.

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