Die Tochter der Wanderhure
unnatürlich fröhlich auflachte und es offensichtlich nicht erwarten konnte, Fuchsheim vor sich auftauchen zu sehen.
Die Kibitzsteiner waren nicht die Einzigen, die an der Hochzeitsfeierteilnehmen wollten. Schon bald trafen sie auf weitere Reiterzüge, die den gleichen Weg eingeschlagen hatten. Viele der Herren, die diese Gruppen anführten, zählten zu den Gefolgsleuten des Würzburger Bischofs und amtierten in dessen Städten als Vögte oder als Kastellane in seinen Burgen. Trotz der Spannungen zwischen ihrem Herrn und den Kibitzsteinern begrüßten sie Michel und Marie so höflich, wie es zwischen entfernteren Nachbarn Brauch war.
Michel nahm sich nun zusammen und wirkte auch nicht mehr, als müsse er sich jeden Augenblick übergeben. Er gab die Grüße mit fester Stimme zurück, war aber gleichzeitig froh, dass Gereon ihn und seine Familie mit einem Dutzend bewaffneter Knechte begleitete. Die erst kürzlich geschmiedeten Panzer und Schwerter seiner Trabanten flößten den anderen Herren und ihrem Gefolge Respekt ein und sorgten dafür, dass die Leute, denen sie begegneten, sich allzu heftiger Sticheleien enthielten.
Otto von Hennebergs misslungener Überfall auf die Kibitzsteiner Mägde hatte bereits die Runde gemacht, und so mancher musterte neugierig Trudi, die, wie es hieß, dem Junker das Gesicht zerschnitten habe. Diejenigen, die mit dem gräflichen Haus Henneberg verbunden waren, brachten Michel und seinen Leuten daher sichtlich wenig Sympathie entgegen, und schließlich wurden die Kibitzsteiner von einem Trupp abgedrängt, den ein Herr und eine Dame in prachtvoller Kleidung anführten.
»Wer ist denn dieses unhöfliche Paar?«, fragte Trudi, der die eisigen Blicke, mit denen die Dame sie musterte, unangenehm wurden.
Da die Henneberger aus dem nördlichen Teil des Hochstifts stammten, war Michel nur selten mit Graf Magnus zusammengetroffen und musste daher auf das Wappen sehen, um ihn und Frau Elisabeth einordnen zu können. »Das dürften der Bruder und die Schwägerin des Burschen sein, den du mit seiner eigenen Klinge gezeichnet hast«, raunte er Trudi zu.
Sie warf den Kopf hoch, straffte den Rücken und begegnete dem nächsten Blick der Gräfin mit mehr Sicherheit.
Elisabeth von Henneberg wandte schließlich den Kopf ab und forderte ihren Gemahl auf, schneller zu reiten. Das war jedoch leichter gesagt als getan, denn ein Stück vor ihnen zog die nächste Reisegruppe dahin, und diese dachte gar nicht daran, für die Henneberger Platz zu machen. Etliche zornige Worte flogen hin und her, und für den Augenblick waren die Kibitzsteiner vergessen. Graf Magnus und seinen Begleitern blieb schließlich nichts anderes übrig, als ihre Pferde zu zügeln und sich in die lange Reihe derer einzugliedern, die Fuchsheim zustrebten.
Marie und Michel stellten verwundert fest, dass Bonas Hochzeit weitaus mehr Bedeutung zugemessen wurde, als sie es eigentlich verdiente. Jeder, der in diesem Teil Frankens etwas gelten wollte, hatte sich auf den Weg gemacht oder einen hochrangigen Gefolgsmann geschickt.
Wie viele Menschen sich in Fuchsheim versammelten, begriffen sie jedoch erst, als sie am späten Nachmittag ihr Ziel erreichten. Der Burghof vermochte die Zahl der Ankommenden nicht zu fassen, geschweige denn deren Pferde. Die Ställe waren längst überfüllt, und die überforderten Knechte brachten die Reittiere bereits ins Meierdorf der Burg. Auf dem Anger unterhalb Fuchsheims hatte Ritter Ludolf eine einfache Stechbahn errichten lassen, um seinen Gästen ein kleines Turnier bieten zu können. Nun wurden dort in aller Eile Zelte errichtet, um die vielen Knechte und Reisigen unterzubringen, die ihre Herrschaften begleiteten.
Der Gastgeber wirkte verwirrt und schien sich seiner Miene nach ans andere Ende der Welt zu wünschen. Bei Michels Anblick hellte sich sein Gesicht auf. »Gott im Himmel sei Dank, dass Ihr endlich erschienen seid. Ihr müsst mir aushelfen! Meine Vorratskammern sind nicht so gut gefüllt, dass ich all diese Menschen versorgen könnte. Dabei habe ich von den Pfeffersäcken in Volkach, Gerolzhofen und Schweinfurt schon etliches auf Kreditgekauft, und nun wollen die Kerle mir nichts mehr liefern. Ich bitte Euch, bürgt bei diesem Gesindel für mich, damit sie mir noch rasch ein paar Fuhren schicken, und lasst aus Euren Kellern und Speichern bringen, was Ihr entbehren könnt! Wenn Ihr mir nicht helft, verliere ich vor allen Leuten das Gesicht!«
Michel wechselte einen kurzen Blick mit Marie.
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