Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Ich werde morgen auf Fuchsheim mit ihm reden und ihn dazu bringen, dich zu heiraten, und wenn ich ihn vor den Traualtar prügeln muss. Er kann nicht meine Tochter verführen, als wäre sie eine wohlfeile Bauernmagd, und sich dann einfach davonstehlen.«
    Obwohl Trudi der Vergleich mit einer nachgiebigen Bauernmagd schmerzte, war sie doch froh, dass ihr Vater einer Ehe zwischen ihr und Gressingen immer noch zustimmen wollte.
    Sie fasste die rechte Hand ihres Vaters und führte sie an die Lippen. »Ich danke dir, Papa.«
    Michel entzog ihr die Hand mit einem heftigen Ruck. »Das ist kein Geschenk, sondern eine leidige Notwendigkeit. Freudig werde ich dich Gressingen nicht anvermählen. Doch du hast mir keine andere Wahl gelassen. Und nun geh! Deine Mutter hat dir gewiss Arbeit aufgetragen, die getan werden muss. Ich rate dir, ihr in Zukunft besser zu gehorchen und sie nicht mit deinem störrischen Sinn zu reizen. Oder willst du, dass sie dich in ein Kloster gibt, anstatt eine Heirat mit Gressingen zu gestatten? Ich würde ihr nicht widersprechen.«
    So kalt und abweisend hatte Trudi ihren Vater noch nie erlebt, und zum ersten Mal in ihrem Leben war sie froh, ihn verlassen zu können.
    Während sie durch die Burg eilte und mit einem für sie überraschenden Eifer die Mägde antrieb, saß Michel in der Erkerkammer und spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Er und Marie hatten alles getan, um Trudi zu einem sittsamen jungen Mädchen zu erziehen. Jetzt erfahren zu müssen, dass sie ihre Jungfernschaft an einen Unwürdigen verschleudert hatte, tat ihm körperlich weh.
    Er überlegte, ob er es Marie berichten sollte, schüttelte aber in unbewusster Abwehr den Kopf. Er traute es seiner Frau zu, Trudi mit dem Stock zu züchtigen und sie hier auf Kibitzstein zurückzulassen. Dabei war es nun unabdingbar, das Mädchen mit nach Fuchsheim zu nehmen. Es ärgerte Michel, dass er Gressingen seine Tochter würde anbieten müssen wie sauren Wein. Dann aber sagte er sich, dass Trudi ausnehmend hübsch war und eine recht üppige Mitgift mit in die Ehe bringen würde. Mit beidem konnte Gressingen zufrieden sein.
    Aber was würde sein, wenn Gressingen sich weigerte? Bei dem Gedanken wanderte seine Rechte zum Griff des Schwerts, das seit dem Ärger mit der neuen Äbtissin von Hilgertshausen an seiner linken Hüfte hing. Noch fühlte er sich nicht zu alt, um diesem Lümmel heilige Furcht einbleuen zu können. Gressingen würde Trudi heiraten, ob er es nun freiwillig tat oder mit Beulen am ganzen Leib.
    Michel befand, dass ihm der Inhalt des großen Kruges, den Trudi gefüllt hatte, gerade recht kam, und schenkte sich in rascher Folge mehrere Becher ein. Dabei wurde ihm nach und nach bewusst, wie stark er Trudi ihren Schwestern und auch Falko, seinem einzigen Sohn, vorgezogen hatte. Wäre das Mädchen zur rechten Zeit so herangenommen worden, wie sie es verdient hätte, müsste er jetzt nicht hier sitzen und sich Gedanken um sie machen.
    Die Enttäuschung über seine Tochter trieb ihm erneut die Tränen in die Augen. Mit dem Handrücken wischte Michel sie weg und versuchte, seinen Gedanken einen anderen Weg zu weisen. Auch wenn alles in ihm schrie, Gressingen wie einen tollen Hund niederzuschlagen und seine Tochter in das nächste Kloster zu stecken, durfte er nicht vergessen, in welch gefährlicher Lage sich Kibitzstein befand. Aus diesem Grund überlegte er sich, welche seiner Nachbarn er als Verbündete gegen das Stift Frauenlob zu Hilgertshausen und den Fürstbischof von Würzburg gewinnen könnte.

7.
    A m nächsten Morgen machten sich die Kibitzsteiner auf den Weg. Lisa und Hildegard freuten sich auf das große Fest und schwatzten munter drauflos. Beiden war klar, dass sie mit ihren vierzehn und zwölf Jahren in den Augen vieler Leute bereits als heiratsfähig galten, und sie stellten sich vor, edlen Herren zu begegnen, die später nach Kibitzstein kommen und um sie werben würden.
    Marie war froh, dass ihre Schmerzen im Knie endlich abgeklungen waren, so dass sie in einer Sänfte reisen konnte. Ihr ging es jedoch weniger um die Feier als um gute und erfolgreiche Gespräche, die den Einfluss Kibitzsteins in diesem Teil Frankens vergrößern konnten. Daher ärgerte sie sich über Michel, der am Vorabend viel zu tief in den Weinkrug geschaut hatte und nun wie ein nasser Sack auf seinem Hengst hing. Auch machte sie sich Sorgen um Trudi, die in einem Augenblick den Tränen nahe zu sein schien, während sie im nächsten

Weitere Kostenlose Bücher