Die Tochter der Wanderhure
zu sagen, wer alles erschienen ist, wäre mir sehr geholfen.«
»Schaut Euch selbst um! Ich habe es längst aufgegeben, mir all die Namen zu merken.« Ludolf von Fuchsheim war nicht daran interessiert, einem Söldling Rede und Antwort zu stehen, und führte den Abt zum Wohnturm hinüber.
Eichenloh blieb auf dem Hof zurück und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Anders als Bonas Vater war er gewohnt, viele Leute um sich zu sehen, denn verglichen mit dem Sammelplatz eines Heeres war es hier weit weniger unübersichtlich. Da er weit herumgekommen war, vermochte er bald die einzelnen Wappen und Banner einzuordnen und freute sich, einige alte Bekannte begrüßen zu können.
Seine kraftvolle Gestalt zog viele Blicke auf sich, und mancher musterte verwundert den roten Waffenrock und das Wappen mit drei goldenen Eichenblättern und ebenso vielen Eicheln. Während die anderen Herren in Samt, Brokat und Seide gekleidet waren, als wollten sie am Hofe König Friedrichs III. in Graz einegute Figur machen, hatte Eichenloh sich so nachlässig gekleidet, wie er zu reisen pflegte.
Männer, denen er in früheren Fehden geholfen hatte, begrüßten ihn freundlich, aber auch mit einer gewissen Sorge. So nachlässig Eichenloh bei seiner Kleidung war, so genau achtete er auf die Einhaltung seiner Verträge. Ein Herr, der ihm nun geflissentlich auswich, hatte versucht, ihn um einen Teil des vereinbarten Soldes zu betrügen. Noch am gleichen Tag hatte Eichenloh ihn verlassen und war in die Dienste seines Gegners getreten, und in der nachfolgenden Schlacht hatte jener Mann eine Burg und einen Teil seiner Ländereien verloren.
Auch die Würzburger wichen dem Söldnerführer in weitem Bogen aus. Zwar zwickte es einige von ihnen in den Fingern, den erfahrenen Anführer und seine Truppe anzuwerben, doch solange ihn der Fürstbischof nicht wegen des fleischlichen Vergehens mit seiner Nichte freigesprochen hatte, wagte keiner, ihn anzusprechen.
Einer der Domherren, der gerade mit Pratzendorfer sprach, zeigte seufzend auf den Söldnerführer. »Wenn wir diesen Mann in unseren Reihen hätten, würden es sich etliche der Herrschaften überlegen, ob sie sich weiterhin gegen unseren erhabenen Fürstbischof stellen sollen.«
»Und warum nehmt Ihr ihn nicht in Eure Dienste?«, fragte der Prälat unwirsch, denn er zog es vor, seine Schlachten ohne Waffengeklirr zu schlagen.
Der Würzburger hüstelte. »Da gibt es leider ein kleines Problem. Herr Gottfried hasst diesen Mann.«
»Wenn das so ist, wird dieser Kerl sich wohl Würzburgs Feinden anschließen.« Angesichts dieser Gefahr musterte Pratzendorfer ihn genauer. Andere mochten sich von dessen schäbiger Erscheinung täuschen lassen, doch er begriff sogleich, was Eichenloh damit bezweckte. Der Mann wollte sich von all den mit Samt und Seide prunkenden Edelleuten unterscheiden und denharten Kriegsmann herauskehren, den die Meinung anderer kaltlässt.
»Der Kerl ist eine Viper«, sagte er zu sich selbst und nickte dem Würzburger Domherrn beruhigend zu. »Um dieses Problem werde ich mich kümmern, mein Freund. Herr Gottfried hat nicht zu befürchten, diesen Eichenwald …«
»Eichenloh«, korrigierte ihn der andere.
»… diesen Eichenloh auf der Seite seiner Feinde zu sehen.« Der Prälat schob sich durch die versammelte Menge auf den Söldnerführer zu.
Dieser hatte inzwischen Magnus von Henneberg entdeckt und drängte sich durch die Umstehenden. »Gottes Gruß, Erlaucht. Ich freue mich, Euch zu sehen. Könnt Ihr mir sagen, ob Otto ebenfalls kommen wird?«
»Die ehrwürdige Äbtissin Klara von Hilgertshausen ist selbstverständlich zusammen mit ihrem Vogt erschienen. Ihr werdet meinen Bruder in dem ihr zugewiesenen Gemach finden.« Graf Magnus klang abweisend, und er blickte durch den Söldnerführer hindurch, als sei dieser nicht vorhanden. Ihn beschäftigte immer noch Ottos Anblick. Die Entstellung seines Bruders hatte ihn so schockiert, dass ihm kein Wort von all jenen Vorwürfen über die Lippen gekommen war, die der Zorn in ihm angestaut hatte.
Junker Peter schien es, als stünde der Henneberger ihm an diesem Tag noch feindseliger gegenüber als bei seinem Besuch auf dessen Burg, aber er schob diesen Umstand auf seinen Zwist mit dem Würzburger Bischof und ließ Graf Magnus ohne Abschiedsgruß stehen. Mit langen Schritten stiefelte er auf den Wohnturm zu und schob die Leute, die ihm im Weg standen, kurzerhand beiseite.
»He, was soll das?«, rief ein Mann empört,
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