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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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kommen und nachzusehen, ob in diesem Bienenstock ein Schluck Wein aufzutreiben ist?«, fragte Eichenloh ihn.
    Henneberg schüttelte den Kopf. »Ich mag nicht draußen herumlaufen.«
    »Du kannst aber nicht bei den frommen Damen bleiben. Denke an ihren Ruf!«
    »Graf Otto nächtigt selbstverständlich im großen Schlafsaal. Er weilt nur bei uns, damit wir seine Wunde versorgen können«, erklärte die Äbtissin empört.
    »Eine Wunde, Otto? Sag, was hast du angestellt?« Eichenloh trat neben seinen Freund und legte ihm die Hand auf die Schulter. Henneberg drehte ihm das Gesicht zu, und im selben Augenblick hob die Äbtissin die Lampe, so dass das Licht auf den Patienten fiel.
    Eichenloh stieß hart die Luft aus, als er die frische, blau und rot aufgeschwollene Narbe sah, die sich quer über sein Gesicht zog. »Bei Gott, wie bist du dazu gekommen? Der Kerl, der dir das beigebracht hat, lebt hoffentlich nicht mehr!«
    Scham färbte Hennebergs Gesicht und ließ die Verwundung noch stärker hervortreten. Aber ehe er sich eine Ausflucht einfallen lassen konnte, beantwortete die Äbtissin Eichenlohs Ausruf. »Das war kein Mann, sondern das Werk eines Weibes – undnoch dazu das eines jungen Mädchens. Ich hatte Herrn Otto beauftragt, etliche Knechte und Mägde zu vertreiben, die sich widerrechtlich auf unserem Land aufhielten und unsere Trauben stahlen. Dabei ist er an diese Furie geraten.«
    »Was war mit dir los, mein Guter? Immerhin habe ich dir beigebracht, nie unvorsichtig zu sein und beim Kampf stets einen kühlen Kopf zu bewahren!« Eichenloh besah sich die Wunde genauer. »Wenigstens bist du in kundige Hände gekommen. Der Schnitt verheilt gut. Man hat ihn dir sogar genäht – das ist eine seltene Kunst in diesen Tagen. Dennoch dürftest du eine deutliche Narbe zurückbehalten. Ich hoffe, das Weibsstück hat dafür bezahlt!«
    Hennebergs Kopfschütteln sagte Eichenloh genug. »Verdammt, Otto, ich hätte doch mit dir kommen sollen! Aber ich dachte, du hättest bereits genug Verstand im Kopf, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Stattdessen lässt du dir von einem Weib das Gesicht aufschlitzen.«
    »Sie hat zuerst woanders hingezielt, und ich kann von Glück sagen, dass sie auf mein Gesicht eingestochen hat. Das Blut hat mich so geblendet, dass ich hilflos war. Überdies sind meine Leute einfach davongerannt, und ich …« Henneberg brach ab und wischte sich über seine feuchten Augen.
    »An deiner Stelle würde ich diese Magd einfangen und öffentlich auspeitschen lassen. Wenn du willst, helfe ich dir dabei«, schlug Eichenloh vor.
    »Es war keine Magd, sondern die Tochter Michel Adlers auf Kibitzstein. Sie war bei ihren Leuten und trat mir in den Weg«, bekannte Otto von Henneberg mit dumpfer Stimme.
    »Jungfer Trudi? Der traue ich so ein Schurkenstück zu. Gesindel bleibt nun einmal Gesindel.« Eichenloh spie aus, sah dann die indignierten Mienen der Stiftsdamen und bemühte sich, die Bescherung mit der Sohle seines rechten Schuhs zu verreiben.
    Otto von Henneberg hätte nun bekennen müssen, weshalb dieJungfer auf Kibitzstein ihn verletzt hatte, doch er schämte sich zu sehr. Sein Freund hatte stets auf schärfste Disziplin geachtet und würde, wenn er die Wahrheit erführe, nur Verachtung für ihn übrighaben.
    Statt einer Antwort umarmte er Eichenloh und klammerte sich wie ein kleiner Junge an ihm fest. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist! Mit dir kann ich wenigstens reden. Magnus hat kaum ein Wort herausgebracht und ist auch gleich wieder gegangen. Ich brauche aber jemanden, mit dem ich zusammensitzen und trinken kann.«
    »Das habe ich ja die ganze Zeit vorgeschlagen. Komm endlich mit! Meine Kehle ist wie ausgedörrt. Gewiss erlauben die Damen, dass wir uns verabschieden!« Eichenloh verbeugte sich knapp und zog dann seinen Freund kurzerhand mit sich.
    Kaum hatte die Zwergin die Türe hinter den beiden geschlossen, schüttelte Klara von Monheim den Kopf. »Statt uns an Magnus von Henneberg zu wenden, hätten wir diesen Eichenloh anwerben sollen. Der Mann hätte uns die Kibitzsteiner vom Hals gehalten.«

10.
    W ährend Trudi und Bona in dem alten Turm ihren Plan schmiedeten und Eichenloh und sein Freund beinahe traumwandlerisch den Weg zum Weinkeller fanden, half Marie Ritter Ludolfs überforderter Schwester, einen Hauch von Ordnung in das herrschende Durcheinander zu bringen. Michel nützte derweil die Gelegenheit, seine Bekanntschaft mit einigen Herren zu erneuern, mit deren Hilfe er seine Position

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