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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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beide könnten morgen sterben. Wir werden nicht immer in ihrer Nähe sein und auf sie aufpassen können, das ist alles. Vielleicht will sie es auch irgendwann gar nicht mehr. Ich frage dich nur, ob du schon mal darüber nachgedacht hast. Wofür sparst du sonst das ganze Geld? Ich spreche davon, weil wir darüber reden müssen. Was meinst du, wäre es nicht schön, wenn du mich ab und zu auf meinen Touren begleiten könntest? Übers Wochenende?«
    »Doch«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Das wäre schön.«
    Aber eigentlich war sie sich nicht sicher. Caroline versuchte sich Als Leben vorzustellen: jede Nacht in einem anderen Hotelzimmer, in einer anderen Stadt, und immer wieder dasselbe graue Band der Straße, das sich abspulte. Sein erster Gedanke war ein rastloser gewesen: das Haus verkaufen, losziehen und die Welt erkunden.
    Al nickte, trank sein Glas aus und stand auf.
    »Geh noch nicht«, sagte sie und legte ihre Hand sanft auf seinen Arm. »Ich muß noch etwas mir dir besprechen.«
    »Klingt ernst«, sagte er und setzte sich wieder in die Schaukel. Er lachte nervös. »Du willst mich doch nicht verlassen, oder? Jetzt, wo du all das geerbt hast.«
    »Natürlich nicht. Es geht um etwas anderes.« Sie seufzte. »Diese Woche war ein Brief in der Post. Ein merkwürdiger Brief – darüber müssen wir reden.«
    »Von wem ist er?«
    |304| »Von Phoebes Vater.«
    Al nickte und verschränkte die Arme, sagte aber nichts. Er wußte von den Briefen, natürlich. Seit Jahren kamen sie, und im Umschlag befand sich neben den kleineren oder größeren Geldsummen immer ein kleiner Zettel mit einem einzelnen hingekritzelten Satz. »Bitte schreib mir, wo du wohnst.« Das hatte sie nie getan, obwohl sie David Henry in den ersten Jahren fast alles erzählt hatte. Freimütige, mit Herzblut geschriebene Briefe, als wäre er ein enger Freund, ein Vertrauter. Mit der Zeit war sie dann immer sachlicher geworden, hatte ihm Fotos geschickt und ein, zwei Zeilen dazu geschrieben, wenn überhaupt. Ihr Leben war plötzlich so vollgepackt, erfüllt und kompliziert gewesen, daß es einfach nicht mehr möglich war, dies auf einem Blatt Papier festzuhalten. Und so hatte sie es einfach aufgegeben. Was war es da für ein Schock gewesen, den dicken Brief von David Henry vorzufinden, drei mit seiner engen Schrift beschriebene Seiten, ein leidenschaftlicher Brief, in dem er zunächst von Paul erzählte, seinem Talent und seinen Träumen, seiner Wut und seinem Zorn. »Ich weiß, daß es ein Fehler war«, schrieb David. »Ich weiß, daß es eine schreckliche Tat war, meine Tochter wegzugeben, und ich weiß, daß ich es nicht mehr rückgängig machen kann. Aber ich würde sie gern sehen, Caroline, ich würde es gern irgendwie wiedergutmachen. Ich würde gern mehr über Phoebe erfahren – und über Euer Leben.« Von den Fotos, die er ihr geschickt hatte, war sie völlig entnervt gewesen – Paul, der in die Höhe geschossen war und Gitarre spielte, Norah vor ihrer eigenen Firma und David, der ihr in all den Jahren nicht aus dem Kopf gegangen war, wie ein Foto in einem Buch, ein Stück Papier, über das sie sich voller Bedauern und Sehnsucht beugte. Sie hatte den Brief in einer Schublade verstaut, als könnte diese ihn verschlossen halten, doch seine Worte waren in jedem Moment dieser anstrengenden und emotionalen Woche in ihrem Kopf herumgespukt.
    |305| »Er will sie sehen«, sagte Caroline und fingerte an einer Franse des Schals herum, den Doro auf der Schaukel hatte liegenlassen. »Um in irgendeiner Form wieder in ihr Leben zu treten.«
    »Wie nett von ihm«, sagte Al. »Was für ein Rückgrat er beweist, nach all diesen Jahren.«
    Caroline nickte. »Immerhin ist er ihr Vater.«
    »Dann frage ich mich, was ich bin.«
    »Bitte«, sagte Caroline. »Du bist der Vater, den Phoebe kennt und liebt. Aber ich habe dir nicht alles erzählt, Al. Wie es überhaupt dazu gekommen ist, daß ich für Phoebe sorge. Und ich denke, ich sollte das tun.«
    Er nahm ihre Hand.
    »Caroline. Ich bin noch eine Weile in Lexington geblieben, nachdem du gegangen bist. Ich habe mit deiner Nachbarin gesprochen und einiges an Geschichten gehört. Gut, ich bin nicht sehr gebildet, aber deshalb bin ich nicht blöd, und ich weiß, daß Dr. David Henry seine kleine Tochter ungefähr zu der Zeit verloren hat, als du die Stadt verlassen hast. Was ich damit sagen will, ist, daß es keine Rolle spielt, was zwischen euch beiden vorgefallen ist. Zumindest für mich nicht. Für uns nicht. Ich

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