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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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nicht das Bedürfnis verspüre«, sagte Doro. »Zumindest nicht für mehr als einen Besuch.« Sie ergriff Carolines Arm. »Komm«, sagte sie. »Setzen wir uns ein wenig auf die Veranda.«
    Sie gingen am Haus vorbei, unter einer im Bogen geschwungenen Glyzinie hindurch, und setzten sich in die Schaukel. Der Strom der Autos auf der Allee glich einem Fluß. Die tellergroßen Ahornblätter schmiegten sich an die Straßenlaternen.
    »Den Verkehr wirst du sicher nicht vermissen«, sagte Caroline.
    »Das ist wahr. Dabei war es hier früher so ruhig. Im Winter haben sie die Straße gesperrt, und wir fuhren mit unseren Schlitten hinunter, genau hier, mitten auf der Straße.«
    Caroline gab der Schaukel einen Stoß und erinnerte sich an jene Nacht, die so weit zurücklag. Als der Mondschein den Rasen überflutete und durch das Badezimmerfenster fiel, Phoebe in ihren Armen hustete und Reiher sich von den Feldern aus Doros Kindheit erhoben.
    Der Windschutz an der Tür bauschte sich, und Trace trat heraus. »Und? Bist du soweit, Doro?« fragte er.
    »So gut wie.«
    »Dann fahr ich schon mal den Wagen vor.«
    Er ging wieder hinein. Caroline zählte die vorbeifahrenden Autos, bis zwanzig. Zwölf Jahre war es her, da war sie durch diese Tür geschritten, mit Phoebe als Säugling in den Armen. Genau hier hatte sie gestanden und darauf gewartet, was passieren würde.
    |299| »Wann geht dein Flug?« fragte sie.
    »Schon früh, um acht. Ach, Caroline«, sagte Doro und spannte den Rücken, die Arme weit ausgestreckt. »Nach all diesen Jahren fühle ich mich so frei. Ich kann fliegen, wohin ich will.«
    »Ich werde dich vermissen«, sagte Caroline. »Genau wie Phoebe.«
    Doro nickte. »Ich weiß. Aber wir sehen uns ja wieder. Außerdem werde ich von überall Postkarten schreiben.«
    Von der Anhöhe strahlten die Scheinwerfer herunter, und langsam näherte sich der Mietwagen, in dem Trace mit seinem langen Arm winkte.
    »Das Abenteuer ruft«, drang es aus dem Wagen herüber.
    »Paß auf dich auf«, sagte Caroline. Sie umarmte Doro und spürte ihre weiche Wange. »Weißt du eigentlich, daß du mir vor all diesen Jahren das Leben gerettet hast?«
    »Du hast meines genauso gerettet, meine Liebe.« Doro löste sich aus der Umarmung, in ihren dunklen Augen standen Tränen. »Es ist jetzt dein Haus. Laß es dir gutgehen hier.«
    Sie schritt die Treppe hinunter, der Wind spielte mit ihrem weißen Pullover. Im Auto winkte sie noch zum Abschied – dann war sie fort.
    Caroline sah dem Wagen nach, wie er sich in den Verkehr einordnete und im Fluß der vorbeirauschenden Lichter verschwand. Das Gewitter hing noch immer über den Bergen und erhellte den Himmel mit seinen Blitzen, in der Ferne hörte man dumpfes Donnergrollen. Die Tür mit dem Fuß aufdrückend, trat Al mit Getränken in der Hand hinaus. Sie setzten sich in die Hollywoodschaukel.
    »Es war eine schöne Feier.«
    »O ja«, sagte Caroline. »Es hat Spaß gemacht. Ich bin erschöpft.«
    »Hast du noch Kraft genug, das hier auszupacken?«
    Ein Päckchen wurde ihr entgegengestreckt, dessen Verpackung sie umständlich entfernte. Ein aus Kirschholz geschnitztes |300| Herz fiel heraus und schmiegte sich glatt wie ein Kieselstein in ihre Hand. Sie umschloß es und dachte daran, wie das Medaillon im kalten Licht von Als Fahrerkabine gefunkelt hatte, wie Phoebes winzige Hand Monate später danach gefaßt hatte.
    »Es ist wunderschön«, sagte sie und drückte das weiche Herz an ihre Wange. »So warm. Es paßt genau in meine Hand – als wäre es für sie gemacht.«
    »Ich habe es selbst geschnitzt«, sagte Al mit freudiger Stimme. »In all den Nächten. Dachte, es wäre vielleicht zu kitschig, aber die Kellnerin in Cleveland meinte, du würdest es mögen. Ich hoffe, sie hat recht behalten.«
    »Hat sie«, sagte Caroline und hakte sich bei ihm ein. »Ich habe auch etwas für dich.« Sie reichte ihm eine kleine Pappschachtel. »Ich hatte leider keine Zeit mehr, es einzupacken.«
    Er riß den Deckel auf und zog einen neuen Schlüssel aus Messing hervor. »Was ist das? Der Schlüssel zu deinem Herzen?«
    Sie lachte. »Nein, es ist ein Schlüssel zu diesem Haus hier.«
    »Warum? Habt ihr das Schloß auswechseln lassen?«
    »Nein.« Caroline gab der Schaukel einen Stoß. »Doro hat mir das Haus überlassen, Al. Ist das nicht verrückt? Der Vertrag liegt drinnen. Sie meinte, sie müsse einen Neuanfang wagen.«
    Ein Herzschlag, dann zwei, dann drei, dazwischen das Quietschen der Schaukel, wie sie vor und

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