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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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trat, wußte sie, daß sie die Eingangstreppe verlassen vorfinden würde – der Teller war ordentlich auf dem Steinboden abgestellt, die Schaukel stand still.
    Phoebe war verschwunden.
    Wohin verschwunden? Caroline ging bis zur Treppe und suchte im dicht fallenden Regen die Straße ab. In der Ferne hörte man einen Zug; nach links führte die Straße den Berg hinauf zu den Bahngleisen. Nach rechts mündete sie in den Autobahnzubringer. Okay, denk nach.
Denk nach!
Wo könnte sie hingegangen sein?
    Ein paar Häuser weiter planschten die Swan-Kinder barfuß in den Pfützen. Plötzlich fiel Caroline ein, was Phoebe am frühen Morgen gesagt hatte: »Ich will eine Katze.« Und wie Avery mit dem kleinen Fellbündel im Arm auf der Feier gestanden hatte. Sie erinnerte sich, wie sehr Phoebe von ihrer Größe und ihrem süßen Miauen fasziniert gewesen war. Natürlich. Und als sie die Swan-Kinder nach Phoebe fragte, zeigten die auf das kleine Wäldchen auf der anderen Straßenseite. Das Kätzchen sei davongelaufen, und Phoebe und Avery seien losgezogen, es zu retten. Schon die erste kleine |311| Lücke im Verkehr nutzte Caroline, um zielstrebig die Straße zu überqueren. Der Boden war matschig, und jeder ihrer Fußstapfen füllte sich mit Wasser. Sie kämpfte sich durchs Geäst, erreichte schließlich die Lichtung. Und dort war Avery und kniete am Zuflußrohr, das das Wasser von den Bergen in den betonierten Kanal leitete. Phoebes gelber Regenschirm lag – zurückgelassen wie eine Fahne – neben ihr.
    »Avery!« Sie beugte sich zu dem Mädchen herab und packte es an der nassen Schulter. »Wo ist Phoebe?«
    »Sie versucht das Kätzchen zu befreien«, sagte Avery und wies in das Rohr. Es ist da reingekrochen.«
    Caroline fluchte leise und kniete sich in die Öffnung des Rohrs. Kaltes Wasser rauschte gegen ihre Knie und ihre Hände. »Phoebe!« schrie sie, und ihre Stimme hallte in der Dunkelheit wider. »Hier ist Mama. Schatz, bist du hier irgendwo?«
    Stille. Caroline arbeitete sich nach vorn. Das Wasser war eisig kalt, ihre Hände schon taub. »Phoebe!« schrie sie mit durchdringender Stimme. »Phoebe!« Sie lauschte angestrengt. Da war ein Geräusch, wenn auch nur ganz schwach. Caroline kroch weiter hinein, tastete sich durch das kalte, unsichtbare Wasser. Dann plötzlich streiften ihre Hände Stoff, kalte Haut, und mit einemmal lag Phoebe zitternd in ihren Armen. Caroline drückte sie an sich und dachte an die Nacht, in der sie mit Phoebe im Arm in dem dämmerigen violetten Badezimmer herumgelaufen war und sie angefleht hatte zu atmen.
    »Wir müssen raus hier, Liebling. Wir müssen hier raus.«
    Doch Phoebe rührte sich nicht.
    »Meine Katze«, sagte sie mit hoher und entschlossener Stimme. Caroline spürte, wie sich etwas unter Phoebes T-Shirt wand, und hörte das Kätzchen miauen. »Es ist meine Katze.«
    »Vergiß die Katze«, rief Caroline. Sie zog Phoebe sacht in die Richtung, aus der sie gekommen war. »Komm jetzt, Phoebe. Sofort.«
    »Meine Katze.«
    |312| »Okay«, sagte Caroline, während das Wasser weiter anstieg und ihre Knie umspülte. »Okay, okay, es ist deine Katze. Aber laß uns jetzt gehen.«
    Phoebe rührte sich langsam und kroch Stück für Stück auf die helle runde Öffnung zu. Endlich kamen sie hervor, kaltes Wasser bahnte sich um sie herum den Weg ins Betonbecken. Phoebe war völlig durchnäßt, die Haare hingen ihr in Strähnen ins Gesicht, auch das Kätzchen war naß. Durch die Bäume hindurch sah Caroline die Umrisse ihres Hauses, sicher und fest, wie eine Arche Noah in dieser gefährlichen Welt. Sie dachte an Al, wie er gerade auf einer weit entfernten Autobahn unterwegs war, und an die vertraute Behaglichkeit dieser Räume, die ihr gehörten.
    »Alles ist gut.« Caroline legte den Arm um Phoebe. Das Kätzchen zuckte kurz zusammen und kratzte mit seinen kleinen Krallen über Phoebes Handrücken. Der Regen prasselte weiter nieder und tropfte von den kräftigen dunklen Blättern.
    »Da ist der Postbote«, sagte Phoebe.
    »Ja«, erwiderte Caroline und sah ihn auf die Veranda treten und die beglichenen Rechnungen in seine Ledertasche gleiten lassen. Ihr Brief an David Henry, den sie nicht zu Ende geschrieben hatte, lag auf dem Tisch. Sie hatte an der Terrassentür gestanden, in den Regen geschaut und nur an David Henry gedacht, während Phoebe in Gefahr gewesen war. Es erschien ihr plötzlich wie ein Zeichen, und die Angst, die sie noch eben verspürt hatte, als Phoebe verschwunden war, schlug in

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