Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
überlegen. Viele machen den Fehler, Cesare für einen einfachen Mann zu halten, aber ich möchte behaupten, dass viele von uns ihn eigentlich um die Klarheit seines Denkens beneiden müssten. Natürlich gab es auch Momente, in denen er sich irrte.
Ich wollte mich noch nicht festlegen.
»Ich bin nicht sicher, dass das die richtige Lösung ist.«
Cesare seufzte. »Ich denke, Ihr seid eine Giftmischerin. Warum zögert Ihr dann?«
»Das tue ich nicht …« Das Töten war für mich nicht nur berufliche Notwendigkeit, sondern, wie ich entdeckt hatte, auch durchaus eine Quelle der Erleichterung, wenn nicht sogar der Freude. So sehr ich mir wünschte, dass mir die Sache innerlich nicht so naheginge, so hegte ich doch keinerlei Hoffnung, dass die Hingabe an Gott oder Borgia jemals meine Seele von der Düsternis reinwaschen würde.
Cesare diese Gedanken erklären zu wollen, war sinnlos. »Im Augenblick ist Töten nicht die richtige Lösung«, sagte ich nur.
»Was tun wir dann? Ganz schön verzwickt. Was schlagt Ihr vor? Oh, ich weiß. Hat Lucrezia mir nicht geschrieben, dass Ihr davon geträumt habt, nach England zu gehen und Zauberer am Hof des Königs – wie heißt er doch gleich – zu werden? Heinrich irgendwas. Reizt Euch das noch immer?«
»Klingt verlockend«, räumte ich ein, ohne mich allzu sehr von meinem jüngeren Selbst in Verlegenheit bringen zu lassen. Das ist das Problem, wenn man Menschen zu lange kennt: Sie erinnern sich an zu viel.
»Ich habe allerdings einen besseren Vorschlag«, sagte ich. »Wir könnten Euren Vater zum Papst machen.«
»Wisst Ihr eigentlich, dass er genau das auch für mich plant?«
Ich wusste, dass Borgia eine kirchliche Laufbahn für seinen Sohn vorgesehen hatte, aber dass Cesare so frei über dynastische Ambitionen sprach, machte mich einen Moment lang sprachlos.
»Wollt Ihr denn Papst werden?«, fragte ich.
»Guter Gott, nein!« Und für den Fall, dass noch Zweifel bestanden: »Gebt mir ein Pferd und ein Schwert, und ich werde die Welt neu erschaffen – aber lasst um Himmels willen den lieben Gott aus dem Spiel.«
»Nun gut. Was auch immer Euer Vater für Euch plant, wird sich nicht in die Tat umsetzen lassen, wenn es della Rovere gelingt, ihn zu vernichten.«
Seufzend warf sich Cesare auf den Rücken. Ich roch den Schweiß auf meinem Körper, den ich ihm verdankte. »Wisst Ihr, was er plant?«, fragte ich.
Cesare stützte sich auf den Ellenbogen und sah mich an.
»Wer? Mein Vater oder della Rovere?«
»Euer Vater, natürlich. Della Rovere interessiert mich nicht. Der Kardinal kennt die Lage besser als irgendeiner von uns. Was hat er vor?«
»Das weiß der Teufel. Ich erfahre wie immer gar nichts. Ich bekomme nur Befehle, ich führe sie aus, und ich hoffe, dass er zufrieden ist.«
»Ihr unterschätzt Euch. Hat Euer Vater Euch denn nicht nach Siena geschickt? Offensichtlich traut er Euch die Lösung schwieriger Aufträge zu.«
»Er verlässt sich darauf, dass ich die Leute einschüchtere. Darin bin ich gut, aber was den Rest anbelangt …« Er zuckte die Achseln. »Ich denke, dass wir seine Pläne noch rechtzeitig erfahren werden. Aber für den Moment …«
Er drängte sich gegen mich, und ich gab mich ihm hin. Falls Morozzi siegt, werde ich solche Wonnen nie mehr erleben, dachte ich.
Als ich erwachte, schien die Sonne bereits durch die Fenster, und Cesare war fort. Ich hatte gerade noch Zeit,
um mich zu waschen und anzuziehen, bevor Vittoro klopfte und mir mitteilte, dass der Kardinal mich zu sprechen wünschte.
Am letzten Tag vor dem Beginn des Konklaves summte der Palazzo vor Geschäftigkeit. Überall waren bewaffnete Soldaten, Diener eilten emsig hin und her, und ein Schwarm von Sekretären und Schreibern schien sich des Hauses bemächtigt zu haben. Im Grunde war das Durcheinander vorhersehbar gewesen, und doch wirkte es erschreckend. Ich war sehr erleichtert, als ich mich in das vergleichsweise ruhige Arbeitszimmer von Borgia flüchten konnte.
Als ich ankam, war der Kardinal gerade beschäftigt, doch ich musste nicht lange warten, bis er mich rufen ließ. In Anbetracht der wenigen Ruhepausen in den letzten Tagen wirkte Borgia erstaunlich frisch. Krisen schienen ihm neue Kräfte zu bescheren. Was zweifellos ein Segen war, da es in seinem Leben nie an Krisen mangelte. Als er mich erblickte, lächelte er und entließ seine Sekretäre mit einem Wink, was mir verdrossene Blicke eintrug.
»Francesca, wie schön! Ihr seht ja prächtig aus. Nach allem, was ich
Weitere Kostenlose Bücher