Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
die Messe zu Ehren des Heiligen Geistes. In seiner Eigenschaft als Vizekanzler des Kardinalskollegiums hätte eigentlich Borgia die Messe feiern müssen, doch stattdessen stieg della Rovere in seinen roten Gewändern zum Altar hinauf. Mit meiner Verwunderung war ich nicht allein. Einige meiner Nachbarn wechselten erstaunte Blicke und
flüsterten miteinander. Kündigte diese Abweichung von der Regel Borgias Aufgabe an? Hatte er etwa die herausragende Rolle seines Rivalen unter den Kardinalskollegen erkannt? Oder war es ein kluger Schachzug, der Borgias Bereitschaft zum Kompromiss signalisierte, was für einen Papst unabdingbar war?
Angesichts solcher Überlegungen war es nicht verwunderlich, dass der Messe kaum Aufmerksamkeit zuteil wurde, bis wir uns zur Kommunion erhoben. Bei dieser Gelegenheit riskierte ich einen Blick in die Runde, ob ich Morozzi irgendwo entdecken konnte. Er war nirgends zu sehen. Doch auf diese Weise lenkte ich mich wenigstens von den Schwierigkeiten ab, die ich in solchen Momenten immer hatte.
Mit dem Leib Unseres Herrn kam ich gut zurecht, doch ich vermied jeden Tropfen Weins, der sich durch das Sakrament in das Blut Unseres Herrn verwandelt hatte. Mit klammen Händen kehrte ich an meinen Platz zurück und kniete nieder. Ich fürchtete, dass mich eine meiner Visionen, wie ich sie inzwischen nannte, heimsuchen könnte, aber, Gott sei Dank, passierte nichts.
Als die Messe endete, war immer noch Geflüster zu hören. Nach der Tradition sollte das anschließende Gebet an die besondere Verantwortung appellieren, die die Wahl eines neuen Papstes mit sich brachte. Borgia hatte das Recht, den Kardinal zu bestimmen, und alle verrenkten sich den Hals, um zu sehen, wem er diese Ehre zugedacht hatte. Als sich Borgias Landsmann, der Vertreter Spaniens, erhob, um das Podest zu ersteigen, ging ein Raunen durch die Versammlung.
Aber der Kardinal enttäuschte die Erwartungen nicht. In deutlichen Worten ermahnte er die Kardinäle, alle persönlichen Bestrebungen wie Ehrgeiz, Rivalitäten oder böse Gedanken außer Acht zu lassen und allein den Mann zu wählen, der nach seinem Wesen und seinen Fähigkeiten am besten geeignet war, die Heilige Kirche zu leiten. Da jedem bekannt war, welche persönliche Feindschaft zwischen Borgia und della Rovere herrschte, war klar, an wen sich die mahnenden Worte vor allem richteten.
Schließlich durften wir uns zum Te Deum erheben. Als das abschließende Dankgebet gesprochen war, verließen alle die Kapelle, die nicht am Konklave teilnahmen. Das Geräusch, als die schweren Holztüren zufielen, hallte noch in meinen Ohren, als die Ketten auf der anderen Seite vorgelegt wurden.
Jetzt waren wir eingesperrt – dreiundzwanzig Kardinäle, fast siebzig Begleiter und Diener, ein zu allem entschlossener Verrückter und meine Wenigkeit. Und so würden wir ausharren, bis Gottes Wille geschehen war.
38
Nachdem die großartige Zeremonie beendet war, verbrachten die Geistlichen den Rest des ersten Tages damit, sich auf die Zahl der Kardinäle zu einigen, die der neugewählte Papst im Lauf seiner Regierung ernennen durfte. Das Verfahren klingt nicht nur ermüdend, es ist es auch, sodass ich ihm nicht sehr viel Aufmerksamkeit schenkte.
Lieber widmete ich mich der Einrichtung unseres Quartiers. Angeblich wurden die Kardinäle während des Konklaves in spartanischen Quartieren untergebracht, was jedoch nicht allzu wörtlich zu nehmen ist. Jedenfalls nicht nach meiner Vorstellung von spartanischer Lebensweise.
Bei unserem Besuch in der Sixtinischen Kapelle hatten Vittoro und ich gesehen, dass für das Konklave ein benachbarter Saal des Apostolischen Palasts in kleine Wohnungen unterteilt wurde. Jedes dieser Quartiere umfasste drei Räume. Der erste bot den einzigen Zugang zur Wohnung, der auch verriegelt werden konnte. Hier war Platz für die Sekretäre. Dahinter lag ein geräumigeres und eleganteres Empfangszimmer, wo der Kardinal essen und schlafen und beten konnte. Vor allem konnte er dort private Gespräche führen. Ein drittes, sehr viel kleineres Gemach war mit
den beiden größeren verbunden und diente dazu, Besucher aus der Wohnung zu geleiten, ohne dass die anderen etwas davon merkten. Diesen Raum beanspruchte ich für mich.
Und das umso mehr, als ich innerhalb der ersten Stunden, nachdem die Türen des Konklaves verriegelt worden waren, gewahr wurde, dass meine Nacht mit Cesare keine Folgen gehabt hatte. Zum Glück hatte ich Vorsorge getroffen und ausreichend Tücher
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