Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
Wohlergehen wachte, von der Barke geführt. Ihr Bäuchlein war inzwischen zu sehen, und sie verstärkte den Eindruck noch, indem sie ihren Rücken wölbte und ihren Liebhaber schmachtend anhimmelte. Borgia war weit davon entfernt, sich wie ein alter Narr zu gebärden, doch er wusste auf das Spiel einzugehen, wenn die Gelegenheit es erforderte.
Lucrezia rannte voraus und rief nach mir, doch ich musste zuvor noch ein Wort mit dem Verwalter wechseln. Durch die üblichen Kanäle wusste er, wer ich war, und unterbrach mir zuliebe das Entladen der Barken. Wahrscheinlich machte ihn meine Anwesenheit nervös, was in meinem Beruf völlig normal ist. Ehrlich gesagt, ist es manches Mal sogar von Vorteil. Der Mann nahm meine Anweisungen ohne Widerspruch entgegen – nur die Speisen und Getränke zu sich zu nehmen und das Geschirr, Besteck oder die Tischtücher
zu benutzen, die wir mitgebracht hatten, ansonsten musste alles von mir zuvor geprüft werden – und er versicherte, dass es keine neuen Angestellten im Haus gab. Vittoro hatte längst einen seiner Männer hergeschickt, um Borgias Quartier in Augenschein zu nehmen und nach einem verborgenen Hinterhalt oder Waffen abzusuchen.
Nachdem ich meine Pflichten erledigt hatte, ging ich Lucrezia nach und fand sie in einem kleinen Hof in der Mitte der Villa. Mit ausgestreckten Armen wirbelte sie im Kreis umher, und ihr Gesicht war dem Himmel zugewandt. Tauben flatterten von ihren Ruheplätzen auf den Simsen auf und setzten sich in die Bäume. Ein zauberhafter Anblick.
»Ist das nicht traumhaft schön hier, Francesca?«, rief sie. »Wäre es nicht herrlich, immer auf dem Land zu wohnen?«
»Glaubt Ihr nicht, dass das ein bisschen langweilig wäre?« Ich lächelte ihr zu.
Lucrezia blieb stehen und wurde augenblicklich ernst.
»Aber nein, überhaupt nicht. Ich hätte dann doch einen Mann und Kinder, um die ich mich kümmern muss.«
Falls Ihr es ironisch findet, dass eine Frau, die nur davon träumte, anständig verheiratet zu sein und Mutter zu werden, von aller Welt für Zügellosigkeit und Schlimmeres verdammt wurde, so seid versichert, dass es mir nicht anders ging.
Lucrezias Laune besserte sich augenblicklich, und sie strahlte mich mit spitzbübischem Lächeln an. Aus Erfahrung wusste ich, dass sie darauf brannte, mir ein Geheimnis anzuvertrauen.
»La Bella hat eine Überraschung für papà .«
Ich hätte eigentlich gedacht, dass es für den Kardinal eine
Überraschung sei, mit einundsechzig noch einmal Vater zu werden. Aber Giulia hatte offenbar noch weitere im Gepäck.
Lucrezia klatschte in die Hände.
»Wir veranstalten eine Maskerade. Wir haben Kostüme mitgebracht und Szenen aus den romanzos einstudiert. Die Musiker haben ein Stück komponiert, und es gibt sogar Kulissen. Es wird wunderschön!«
»Davon bin ich überzeugt«, sagte ich, obwohl ich insgeheim gegen solchen Mummenschanz war. Diese Abneigung hatte ich von meinem Vater übernommen, der Masken und Kostüme grundsätzlich ablehnte, weil man nie wusste, wer wer war, und die Gefahr nicht einschätzen konnte. Außerdem war die Innenseite einer Maske der beste Platz, um Gift aufzutragen, das mit Leichtigkeit über die dünnen Häutchen von Augen, Mund und Nase in den Körper gelangen konnte …
Ich muss mich entschuldigen. Es war nicht meine Absicht, Euch solch genaue Hinweise zu geben. Davor bewahre mich der Himmel! Einigen wir uns darauf, dass meine düsteren Gedanken Lucrezias Begeisterung nicht sehr lange standhielten. Sie packte meine Hand und zog mich mit sich, damit ich ihr hier und da ein wenig half, ihren Text abhörte, ihre Tanzschritte bewunderte und mich nützlich machte, sodass mir keine Zeit blieb, die einzelnen Gegenstände genauer in Augenschein zu nehmen. Es dauerte einige Zeit, bis ich merkte, dass sie mich absichtlich ablenkte.
»Ihr wart so traurig«, sagte sie, als ich sie zur Rede stellte. »Ich wollte Eure Laune ein bisschen verbessern.«
»Das ist sehr nett von Euch«, sagte ich, obgleich ich ihr nicht über den Weg traute. Lucrezia hatte nicht die Angewohnheit,
in jeder Situation zu lügen. Sie war vermutlich ehrlicher als die meisten, die ich kannte. Doch wie wir alle hatte sie oft mehrere Beweggründe.
Im Augenblick war ihr nur wichtig, dass ich möglichst schnell in das Kostüm schlüpfte, das sie für mich mitgebracht hatte.
»Ihr müsst es unbedingt anziehen!«, beschwor sie mich, als ich protestierte. »Heute Abend tragen alle ein Kostüm. Papà ist Jupiter und Giulia
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