Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
verhindern.«
»Aber er ist gescheitert.«
Morozzi nickte betrübt, aber die Hoffnung hatte ihn anscheinend noch nicht ganz verlassen.
»Vielleicht gelingt ja der nächste Versuch … Falls Ihr es wagt?«
Da war es. Das Angebot, auf das ich gewartet hatte. Die Rache für den Mord an meinem Vater und zugleich das Ziel, für das er gestorben war. Das Überleben des jüdischen Volkes. Falls ich großes Glück hatte, lebte ich vielleicht so lange, um meine Seele noch retten zu können, aber darauf zählte ich nicht.
»Könnte ich denn durch Euch nahe genug an Innozenz herankommen?«
Morozzi war bleich geworden, aber er nickte ohne Zögern. »So nahe, wie es nötig ist.«
»Und wie wollt Ihr das bewerkstelligen?« Im Vatikan gab es Hunderte von Priestern, doch nur einige wenige hatten direkten Zugang zum Heiligen Vater. Seit der Papst in der Engelsburg residierte, war die Zahl vermutlich noch kleiner geworden.
»Ich hatte das große Glück, dass der Heilige Vater sofort nach meiner Ankunft in Rom auf mich aufmerksam wurde.«
Das überraschte mich nicht. Soweit ich wusste, war Innozenz
kein Sodomit, aber wie so viele Römer verehrte auch er die äußere Schönheit über alles. Morozzi sah nicht nur aus wie ein Engel, sondern seine Schönheit fiel auch jedem ins Auge.
»Der Papst ist ein alter Mann und hat panische Angst vor dem Tod«, sagte Morozzi. »Obendrein ist er von Menschen umgeben, die seinen Tod kaum abwarten können, um sich ihre Positionen unter dem neuen Papst zu sichern. Ich dagegen mache ihm Mut, dass der alles verzeihende Gott auch seine Seele wohlwollend aufnimmt.«
»Und glaubt Ihr das wirklich?«
»Als Christ muss ich glauben, dass die Vergebung allen Menschen zuteil wird«, sagte Morozzi. »Jedenfalls sind die päpstlichen Wachen an meine Gegenwart in den Gemächern Seiner Heiligkeit gewöhnt und werden uns nicht aufhalten. «
Ich holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen. Von diesem Punkt an war keine Umkehr mehr möglich. Die Würfel waren gefallen. Fürwahr. Doch eigentlich war meine Entscheidung schon vor langer Zeit gefallen – damals, als ich mich über den blutüberströmten Leichnam meines Vaters gebeugt und seinen Mördern Rache geschworen hatte. Seitdem hatte mich jeder Schritt diesem Punkt näher gebracht.
»Ich gebe Euch durch Rocco Bescheid, wenn ich bereit bin.« So gern ich den Glasbläser auch geschont hätte, ich hatte keine Wahl.
Der Priester nickte. Obwohl ihm der Schweiß auf der Stirn stand, schien er unerschütterlich.
»Wie werdet Ihr vorgehen?«, fragte er.
Die Frage überraschte mich. Ich hatte angenommen, dass er über die Pläne meines Vaters genau im Bilde war.
»So wie beim letzten Mal«, sagte ich mit aller Vorsicht.
Er nickte.
»Also Gift. Etwas, das schnell und zuverlässig wirkt?«
Mein Vater konnte unmöglich einen Giftmord geplant haben. Nicht, wenn er den Eindruck eines natürlichen Todes erwecken wollte. Offenbar war Morozzi das nicht bekannt. Ich beschloss, diese Erkenntnis fürs Erste für mich zu behalten.
»Ja«, sagte ich, »natürlich.«
»Nun gut. Dann warte ich auf Eure Nachricht.«
»Es wird nicht lange dauern.«
»Das hoffe ich. Es bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Ich sei mir über die Dringlichkeit im Klaren, sagte ich ihm und begleitete ihn zur Tür.
»Stimmt es eigentlich, was man sich erzählt? Trinkt der Heilige Vater wirklich Blut?«, fragte ich wie zufällig.
Ich hätte erwartet, dass Morozzi das heftig bestreiten würde, doch er wirkte eher verärgert.
»Innozenz ist überzeugt, dass ihn das Blut am Leben hält. Dabei wird er von Tag zu Tag schwächer.«
»Vielleicht ist der allmächtige Gott gnädig und nimmt ihn zu sich, bevor er noch weitere Sünden begehen kann.«
Morozzi sah mich mit scharfem Blick an.
»Rechnet nicht damit. Wie gesagt, wir müssen uns beeilen.«
Nachdem er gegangen war, lehnte ich mich gegen die Tür und atmete einige Male tief durch. Meine Knie zitterten, und ich brauchte einige Minuten, um mich wieder zu fassen. Unsere Begegnung war in jeder Beziehung ein Erfolg.
Ich hatte jetzt die Möglichkeit, an den Papst heranzukommen. Aber zugleich hatte ich mehr Fragen als je zuvor.
Warum hatte mein Vater dem Priester nicht gesagt, was er plante?
Gab es einen Grund, Morozzi nicht zu trauen?
In diesem Augenblick kam Rocco vom Hof herein. Ich war völlig unvorbereitet, als mich plötzlich das Verlangen packte, in seinen Armen Trost zu suchen. Stattdessen umschlang ich meinen Oberkörper,
Weitere Kostenlose Bücher