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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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natürlich seine Venus. Ich bin Diana mit einem silbernen Bogen. Und Ihr seid Minerva. Ich habe sogar eine Eule für Euch. Aber keine Angst, sie sitzt im Käfig.«
    Dass ich die Göttin der Weisheit verkörpern durfte, war so schmeichelhaft, dass ich schnell besänftigt war. Trotzdem fühlte ich mich in dem Chiton aus hauchdünnem Leinen mit goldenen Schließen an den Ärmeln und einem dünnen Gürtel etwas unwohl. Aber Lucrezia hatte ihn für mich mitgebracht, und außerdem war er bei dem heißen Wetter so leicht, dass ich fast glaubte, ich hätte überhaupt nichts an.
    Als wir uns zum Abendessen und dem anschließenden Fest zusammenfanden, schien keiner von Selbstzweifeln geplagt. In seiner mit Rot abgesetzten Toga fühlte Borgia sich sichtlich wohl. Außerdem stand sie ihm besser als seine Kirchengewänder. Er scherzte mit La Bella, die, das muss ich zugeben, eine zauberhafte Venus verkörperte. Ihr Chiton war noch durchsichtiger als meiner, sodass sich die dunklen Warzenhöfe darunter erahnen ließen. Trotzdem bewahrte sie Haltung.
    Das Maskenspiel verlief zu größter Zufriedenheit. Die Zuschauer klatschten begeistert, und selbst die Diener, die
allesamt maskiert waren, schienen den Abend zu genießen. Ich muss zugeben, dass ich anfangs besorgt war, dass es zu Obszönitäten kommen könnte, weil der Kardinal derartige Vergnügungen schätzte, wie man sagte. Doch mit Rücksicht auf seine Tochter traten weder nackte Tänzerinnen auf, noch gab es andere verfängliche Darbietungen.
    Ich fing gerade an, mich zu entspannen und den Abend zu genießen, als ich aus den Augenwinkeln einen Mann wahrnahm, den ich bisher noch nicht gesehen hatte. Seine Gesichtszüge waren unter einer Maske aus getriebenem Silber verborgen, aber dank seiner kurzen Toga konnte ich erkennen, dass er groß, dunkelhaarig und wohlgebaut war. Mit dem Schwert an der Seite und dem Schild auf dem Rücken sollte er vermutlich den Kriegsgott Mars darstellen.
    Nach der Aufführung speisten wir im Innenhof, und zwar auf Liegen wie die alten Römer. Der Fremde war aus dem Schatten zwischen den Fackeln hervorgetreten, die den Hof erhellten. In dem Augenblick, als ich ihn entdeckte, stand der Kardinal auf, sagte etwas zu Giulia und verschwand in der Villa. Mars musste dasselbe getan haben, denn als ich wieder zu ihm hinübersah, war er nirgends zu entdecken.
    Aus einem inneren Impuls heraus sprang ich auf. Zwar wurde die Villa bewacht und keiner konnte sie ungesehen betreten. Es bestand keine Gefahr. Und trotzdem ging ich weiter und hielt nach Vittoros Wachmann Ausschau, der vermutlich besser wusste, was zu tun war als ich.
    Aber ich konnte ihn nirgends entdecken. Direkt vor mir erstreckte sich ein getäfelter Korridor, und ich sah gerade noch, wie sich eine Tür schloss. Vorsichtig schlich ich
näher und wagte kaum zu atmen, als ich mein Ohr an das geschnitzte Holz presste.
    Lauschte ich? Aber ja, doch nicht nur aus kindischer Neugier. Natürlich vertraute mir Borgia weder alles an noch konnte ich ihn in jeder Sekunde vor Fremden schützen, die bei ihm ungehindert aus- und eingingen. Der Palazzo unterstand der Aufsicht von Vittoro Romano und seinen Männern, sodass ich in dieser Beziehung entlastet war. Aber hier in der Villa verhielt sich die Sache anders.
    Ich wollte lediglich sicherstellen, dass Borgia den Mann kannte und ihm seine Gegenwart willkommen war. Dann konnte ich mit gutem Gewissen in den Hof zurückkehren und die beiden ihrem Gespräch überlassen – oder sollte ich besser sagen, ihrer Verschwörung?
    Obwohl das Holz so dick war, dass die Stimmen nur sehr gedämpft an mein Ohr drangen, war ich sicher, dass ich Zeugin eines Streits wurde. Ich hörte zwei Männerstimmen, und beide klangen sehr wütend.
    Dann folgte ein lautes Krachen.
    Ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen, stieß ich die Tür auf und platzte ins Zimmer. Fragt nicht, was ich dort wollte. Ich könnte es Euch nicht sagen. Ich besaß keine Waffe, und selbst wenn – was hätte ich schon gegen den Kriegsgott ausrichten können? Es war allerdings meine Pflicht, Borgia zu schützen, und ich wollte nicht zusehen, wie man ihm Leid zufügte, ohne wenigstens alles versucht zu haben.
    »Eminenz …«, begann ich, doch gleich darauf hielt ich inne. Der Kardinal war noch immer als Jupiter verkleidet, und er war nicht allein. Mars war bei ihm, oder sollte ich lieber Cesare sagen?

    Vater und Sohn wandten sich von der zerbrochenen Vase ab, die offenbar heruntergefallen war, und starrten

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