Die Tochter des Goldsuchers
hält große Stücke auf Sie. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum. Ich will Sie aber nicht länger aufhalten, Mr Redman.«
Er tippte an seinen Hut und ging zur Koppel, um sein Pferd zu satteln.
»Das ist ein ganzer Mann, Sarah«, meinte Mrs Cody. »Ich an Ihrer Stelle würde mich anständig von ihm verabschieden.«
»Ja, ich …« Sarah sah Mrs Cody an, dann blickte sie wieder Jake hinterher und konnte sich nicht zwischen Gastgeberpflicht und Sehnsucht entscheiden.
»Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich schon mal Tee mache, oder?«, bot Mrs Cody an.
»Nein, bitte machen Sie es sich nur gemütlich.« Sarah schaute wieder zu Jake hinüber. »Ich bin gleich bei Ihnen.« Sie raffte ihre Röcke und eilte davon. »Jake!«
Er wandte sich um, den Sattel in beiden Händen, und erfreute sich an den wippenden Petticoats.
»Warte, ich …« Sie blieb stehen und merkte plötzlich, dass sie nicht nur völlig außer Atem war, sondern auch gar nicht wusste, was sie eigentlich sagen wollte. »Bist du … ich meine … wann kommst du zurück?«
Der Hengst tänzelte ein wenig und wieherte leise, als Jake ihm den Sattel auflegte. »Bin ja noch gar nicht weg.«
Sarah fühlte sich unsicher, und sie hasste dieses Gefühl. Noch mehr hasste sie aber die Vorstellung, dass er sich gleich auf sein Pferd schwingen und womöglich tagelang aus ihrem Leben verschwinden würde. Vielleicht führte Geduld zum Ziel.
»Ich hoffte, du kämst zum Abendessen zurück«, sagte sie.
Er warf einen Steigbügel über den Sattel, um den Bauchgurt zu befestigen. »Du lädst mich zum Abendessen ein?«, fragte er.
»Wenn du nichts Wichtigeres zu tun hast.«
Er fasste sie am Arm, bevor sie ausweichen konnte. »Es passiert nicht oft, dass ich Einladungen zum Abendessen von hübschen jungen Damen bekomme.« Ohne seinen Griff zu lockern, blickte er zum Haus hinüber. Beim Anblick der Lehmziegelhütte kamen ihm Erinnerungen an sein früheres Zuhause.
»Wenn ich gewusst hätte, dass du so lange brauchst, um es dir zu überlegen«, stieß Sarah hervor, »hätte ich mir nicht die Mühe gemacht. Du kannst …« Bevor sie ausreden konnte, hatte er sie hochgehoben.
»Du gehst aber leicht in die Luft.« Heftig drückte er seinen Mund auf ihren. »Das gefällt mir bei dir – unter anderem.«
»Lass mich sofort hinunter.« Doch sie hatte ihre Arme fest um seinen Nacken geschlungen. »Mrs Cody könnte uns sehen.« Sie lachte und küsste ihn. Dann setzte er sie schwungvoll ab. »Kommst du also zum Abendessen oder nicht?«
Er grätschte in den Sattel. Seine Augen lagen im Schatten der Hutkrempe, als er auf Sarah herabblickte. »Okay, ich komme zum Essen.«
»Um sieben wird es auf dem Tisch stehen«, erklärte Sarah, bevor er den Hengst mit den Fersen antrieb. Sie blickte ihm nach, bis nur noch eine Staubwolke zu sehen war. Dann rannte sie zurück zum Haus. Das strahlende Lächeln verschwand, als sie Alice weinen hörte.
Liza stand am Herd, den Kessel mit dampfendem Wasser in der Hand. »Sarah, Ma ist …«
Doch Sarah eilte bereits die Leiter hinauf, bereit, das Mädchen in Schutz zu nehmen.
Ann Cody hielt die weinende Alice in den Armen, wiegte sie sanft hin und her und strich ihr beruhigend über das schwarze Haar.
»Nun, nun, mein Liebes, wein dich nur aus«, sagte sie. »Danach wird dir besser sein.«
Ann Cody gab Sarah mit einem Blick zu verstehen, dass sie jetzt keine Störung wünschte.
Langsam stieg Sarah die Leiter wieder hinab.
»Alice rief nach dir«, klärte Liza sie auf, immer noch den Wasserkessel in der Hand. »Ma stieg hinauf, um nach ihr zu sehen.« Endlich setzte Liza den Kessel ab. »Sarah, was ist denn überhaupt los?«
»So genau weiß ich das auch nicht.«
Liza warf erneut einen Blick zum Dachboden hinauf und fragte leise: »Ist sie tatsächlich geschlagen worden?«
»Ja, Liza. Sie ist fürchterlich verprügelt worden. Nie hätte ich gedacht, dass ein Mensch in der Lage sein könnte, einem anderen solche Schmerzen zuzufügen.« Nachdenklich begann Sarah, Honigkuchen aufzuschneiden.
»Hat sie denn wirklich für Carlotta gearbeitet?«, wollte Liza wissen.
»Ja. Und dabei ist sie fast noch ein Kind.«
»Wirklich?« Hin- und hergerissen zwischen Mitleid und Faszination, trat Liza näher an Sarah heran. »Aber sie … Nun, ich meine, im ›Silver Star‹ hat sie doch sicher …«
»Sie hat nichts anderes gekannt.« Sarah blickte auf ihre Hände. Es hatte eine Zeit gegeben, da sie gemeint hatte, das Leben sei so einfach und
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