Die Tochter des Goldsuchers
Tür. »Nur schade, dass du so häuslich bist.«
Unter leisem Protestgemurmel band sie ihre Schürze ab und folgte ihm nach draußen. Dann fiel ihr etwas ein. »Die beiden haben doch sicherlich auch von dem Vorfall gestern gehört …«
»Anzunehmen.« Jake verstaute die Urkunde und das Tagebuch in den großen Satteltaschen, die über dem Verandageländer hingen.
»Du brauchst gar nicht so zu grinsen.« Nervös fingerte sie an ihrer Halsbrosche herum. »Guten Morgen, Mrs Cody. Guten Morgen, Liza.« Sarah setzte ihr strahlendstes Lächeln auf.
»Guten Morgen, Sarah.« Mrs Cody brachte die Pferde zum Stehen. »Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass wir so früh am Morgen kommen.«
»Überhaupt nicht.« Das war nur die halbe Wahrheit. Denn Sarah fürchtete, dass sie eine Predigt zu hören bekommen würde. »Ich freue mich immer, Sie zu sehen«, setzte sie bekräftigend hinzu.
Mrs Cody schaute zu dem Hund hinüber, der herbeijagte und jetzt die Pferde anbellte. »Na, ganz schön groß geworden, was?« Sie streckte ihre Hand aus. »Mr Redman?«
Jake trat zu ihr und half ihr und anschließend Liza vom Wagen, wobei er sich in Schweigen hüllte, bis er seine Satteltaschen über die Schulter geworfen hatte. »Na, dann will ich mal.« Er tippte sich an den Hut. »Meine Damen …«
»Mr Redman.« Mrs Cody hob ihre Hand in einer Geste, mit der sie ihre Kinder aufzuhalten pflegte, wenn sie davonlaufen wollten, bevor sie ihre häuslichen Pflichten erledigt hatten. »Dürfte ich kurz mit Ihnen sprechen?«
Jake rückte die Satteltaschen zurecht, um ihr Gewicht gleichmäßig zu verteilen. »Jawohl, Ma’am.«
»Mein Sohn John war Ihnen in den letzten Wochen immer auf den Fersen. Ich bin überrascht, dass Sie so viel Geduld mit ihm haben.«
Mrs Cody durfte es kaum gefallen haben, dass der Junge fast seine ganze Freizeit mit ihm verbrachte. »Er ist mir nicht lästig gefallen.«
Neugierig musterte Mrs Cody Jakes Gesicht. »Es ist sehr freundlich, dass Sie das sagen, Mr Redman. Doch ich weiß genau, dass das Gegenteil der Fall ist.«
»Johnny ist eine geborene Landplage«, warf Liza ein und erntete dafür einen strafenden Blick von ihrer Mutter.
»Wie es scheint, stehen sich da meine beiden Kinder in nichts nach.« Nachdem sie Liza auf diese Weise wirkungsvoll zum Schweigen gebracht hatte, richtete Mrs Cody das Wort wieder an Jake. »Er ist genauso wie andere Jungen in seinem Alter auch. Revolver und Revolverduelle faszinieren ihn. Und Revolverhelden. Ich darf jetzt wohl sagen, dass mir das einigen Kummer bereitet hat.«
»In Zukunft werde ich mich von ihm fernhalten«, versprach Jake und wandte sich zum Gehen.
»Mr Redman.« Mrs Cody hatte nicht zwei äußerst lebhafte Kinder aufgezogen, ohne zu wissen, wie man sich mit seiner Stimme den nötigen Respekt verschafft. »Sie werden sich anhören, was ich zu sagen habe.«
»Ma.« Liza wurde blass, als sie Jakes kalten Blick sah. »Vielleicht sollten wir Mr Redman lieber gehen lassen.«
»Ihre Mutter hat mir etwas mitzuteilen.« Jakes Stimme klang ruhig. »Ich bin bereit.«
»Danke.« Zufrieden zog Mrs Cody ihre Handschuhe aus. »Johnny war richtig begeistert von der Schießerei, die sich hier zwischen Ihnen und Burt Donley abgespielt hat.«
»Mrs Cody …« begann Sarah, wurde aber durch Jakes und Mrs Codys Blicke zum Schweigen gebracht.
»Johnny hat tagelang über nichts anderes geredet«, fuhr Mrs Cody fort. »Er fand, dass so eine Schießerei aus einem Mann erst einen richtigen Mann macht und ihm Ansehen verleiht.« Mrs Cody hielt inne und wählte ihre Worte sorgfältig. »Nachdem er gestern nach Hause gekommen war, erklärte er überraschenderweise: ›Jemanden bei einer Schießerei zu töten, verleiht einem Mann keine Bedeutung. Ein kluger Mann sucht keinen Streit. Er geht ihm aus dem Weg, wenn er kann, und trägt ihn nur dann aus, wenn es sich nicht vermeiden lässt‹.«
Mrs Cody lächelte. »Ich habe ihm wohl hundertmal das Gleiche gesagt, aber immer bin ich auf taube Ohren gestoßen. Da fragt man sich doch, von wem er solche Weisheiten hat.« Sie bot Jake nochmals die Hand. »Ich wollte mich jetzt nur bei Ihnen bedanken.«
Nachdenklich ergriff Jake sie. Solche Gesten der Dankbarkeit, ja, der Freundschaft hatte es in seinem bisherigen Leben kaum gegeben. »Er ist ein kluger Junge, Mrs Cody. Mit der Zeit wäre er selbst dahintergekommen.«
»Früher oder später, ja.« Mrs Cody ging auf die Haustür zu, drehte sich jedoch noch einmal um. »Maggie O’Rourke
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