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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Knurren eines hungrigen Hundes.
Corsica, 251 n.Chr.
    »Was hast du getan?«, fragte Thaïs ein ums andere Mal. »Was hast du getan?«
    »Ich habe Gaetanus doch nur erzählt, dass sie womöglich eine Revolte gegen den Kaiser planen und dass es ratsam wäre, dem nachzugehen, ich glaube ja nicht wirklich, dass Julia ...«
    »Aber sie sind doch Christen, Krëusa«, fiel Thaïs mir ins Wort. »Sie sind Christen.«
    Sie schüttelte immer noch den Kopf; ich begriff nicht recht, worauf sich ihr Unverständnis bezog. Darauf, dass ich jene Wahrheit nicht längst erkannt hatte, obwohl sie doch – zumindest für sie selbst – so augenscheinlich war. Oder auf meinen verkniffenen Mund, der vorgab, dass mich ihre geröteten Augen kaltließen. Um ehrlich zu sein, begreife ich ihren Kummer bis heute nicht. Thaïs schien mir nicht zu jenen zu gehören, die des Mitleids und der Anteilnahme fähig sind und die darum mit Recht um Julia weinten. Vielleicht aber weinte sie auch nicht um ihretwegen, sondern nur, weil das ansonsten kleingeistige Gemüt von der allgemeinen Aufregung überfordert war.
    »Julia Aurelia, ihr Vater Eusebius und ihre Gefährten sind Christen«, sprach sie auf mich ein. »Auch manche der Sklaven hier. Weißt du, was das bedeutet?«
    Nun war ich es, die den Kopf schüttelte. »Was sind Christen?«, fragte ich verständnislos.
    »Du hast noch nie davon gehört? Lange hieß es, nur Gesindel und Arme gehörten dazu. Es ist ... es ist ein ganz absonderlicher Irrglaube. Sie verehren einen Gott, der gekreuzigt wurde. Sie sagen, dass er ihnen ewiges Leben schenkt, auch wenn sie sterben. Und sie werden sterben, wenn sie nicht von ihrem Glauben abschwören, das ist gewiss.«
    Ich schüttelte nun immer heftiger den Kopf. »Julia war Teil einer Verschwörung. Sie hat doch nicht ...«
    »Sie weigert sich, das Opfer darzubringen, das Kaiser Decius von allen Bürgern fordert«, fiel Thaïs mir ins Wort. »Überall im Reich. Er hat ein Edikt erlassen, wonach jeder den Göttern für sein Wohlergehen zu opfern hat. Danach erhält man ein Zeugnis. Wer dieses nicht besitzt, ist des Todes.«
    Ich versuchte mich zu erinnern, doch meine Gedanken waren plötzlich lahm. Seit ich mit Gaetanus gesprochen hatte, hatte ich instinktiv auf etwas gewartet, nicht sicher, was es wäre – doch nun, da mein Verrat Folgen zeitigte, so schenkte das weder Befriedigung noch die beschwichtigende Gleichgültigkeit, mit der ich in den letzten Tagen den Schmerz von mir gehalten hatte. Stattdessen empfand ich Unbehagen, als bliebe ich von nun an einer Sache unwiederbringlich beraubt, von der ich nicht sicher war, wie kostbar genau sie mir gewesen ist.
    Vielleicht war es das Gefühl, Julias Gunst verloren zu haben. Vielleicht die Ahnung, Gaetanus’ Aufmerksamkeit niemals zu erlangen. Oder vielleicht fehlte mir einfach nur die Gewissheit, dass ich Letztere wollte – und Erstere mir gleich war.
    Ich schluckte unbehaglich. »Aber warum?«, fragte ich. »Warum hat der Kaiser das verordnet?«
    »Was weißt du von Decius?«, fragte sie zurück.
    Pannonien. Mir fiel ein, was mir einst Andromache erzählt hatte – dass Decius kein Römer sei, sondern aus der Provinz Pannonien stammte. Misstrauisch sei er, so misstrauisch aufgrund seiner Herkunft – Gaetanus hatte es am eigenen Leib er- fahren müssen – und gerade darum erpicht, alte römische Traditionen und Tugenden aufrechtzuerhalten. Niemand sollte ihm nachsagen können, er falle gegenüber den vielen Amtsvorgängern ab, wäre ein schlechterer Kaiser als diese.
    »Es gibt so viele Kriege an den Grenzen, Barbaren, die verwüstend und plündernd vordringen«, erklärte Thaïs. »In vierzehn Jahren hat man sieben Kaiser gezählt, und immer, wenn einer von ihnen starb, gab es Aufruhr und Krieg. Der Kaiser hat Angst, dass Rom die Gunst der Götter verliert – und er darum die Gunst des Volkes, darum ... darum dieses Edikt. Er sucht die Menschen zu einen. Und verfolgt all jene, die sich außerhalb der Gemeinschaft stellen. Verstehst du nun?«
    Ich hörte auf, den Kopf zu schütteln.
    »Gaetanus ...«, setzte ich langsam an, nicht wissend, was ich sagen sollte.
    »Gaetanus ist ein Verwandter des vorigen Kaisers gewesen, Philippus Arabs«, fuhr Thaïs an meiner statt fort. »Jener hat die Christen geduldet, es geht sogar das Gerücht, dass er selbst einerwar. Ich glaube das nicht, in jedem Falle aber gilt: Gaetanus hat lange gezögert, das Edikt des Kaisers umzusetzen, vor allem dessen Willen, die Vorsteher der

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