Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
tiefer als zuvor.
    Für einen Augenblick zog der Mann seine Hand zurück.
    »Eigentlich ist mir gleich, woher du kommst, Seejungfrau! Sei willkommen, sei willkommen! Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich mich hier zu Tode langweile. Jahrelang bin ich selbst aufs Meer gefahren. Bis der verdammte König meinte, ich sei auf dieser elenden Insel besser aufgehoben. Pah!«
    Er gurgelte, als müsste er erst wieder Speichel sammeln, um fortfahren zu können. Wieder kam ihr seine Hand zu nahe, strich diesmal das feuchte Haar aus dem Gesicht.
    »Lass sie in Ruhe!«, hörte Caterina Ray stöhnen.
    Es hat keinen Sinn.
    Inmitten ihrer Panik ging ihr das erstaunlich klar auf. Es hat keinen Sinn. Rays rücksichtsloses Handeln hatte erneut jene Situation heraufbeschworen, da sie beide machtlos und der Willkür einer Horde roher Männer ausgeliefert waren.
    Caterina schloss die Augen, gab auf. Nicht einmal im Stillen konnte sie noch flehen, konnte sie bekunden, dass sie’s kein zweites Mal überleben würde.
    Sie vernahm Rays rasselnden Atem – oder war es der des dicken Mannes? Wieder glitt seine Hand tiefer – da hörte sie plötzlich Ray schreien, viel lauter, viel durchdringender, als sie es ihm ob der Faustschläge zugetraut hatte. Mit aller Kraft schrie er, die ihm verblieben war, mit sämtlicher Inbrunst, zu der er imstande war.
    »Gaspare!«, schrie er. »Gaspare! Helft uns! ...Helft Caterina!«
    Gaspare war stets eine dunkle Erscheinung – doch im Fins-tern der Nacht war er kaum mehr als ein Schatten. Seine Lippen leuchteten bläulich aus dem grauen Gesicht hervor, ohne dass sie sich für lange Zeit öffneten. Von Rays Geschrei herbeigelockt, war er zwar mit einigen seiner Männer zügig zu ihnen gekommen – doch kaum hatte er die Situation erfasst, schienen sich all seine Regungen ebenso zu verlangsamen wie die des dicken Warzenmannes. Jener hatte mit vermeintlich ungerührtem Gesicht Gaspare kommen sehen. Nichts deutete darauf hin, dass er sich von ihm bedroht fühlte, nur als er flüchtig die Augenbrauen hob, da war Caterina, als würde er ihn erkennen. Kaum merklich trat er einen Schritt zurück, eher gelassen als vorsichtig, und verkreuzte danach wieder seine Arme über den Leib.
    Gaspare tat es ihm gleich, und eine Weile standen sie einan- der wie Statuen gegenüber, ohne sichtbares Interesse an Ray und Caterina.
    Gaspare war der Erste, der sich rührte. Er schnipste mit dem Finger, so ähnlich, wie Caterina es ihn hatte tun sehen, wenn er einen seiner wortlosen Befehle an Akil richtete. Auch die Männer, die ihn heute begleiteten, verstanden ihn ohne Erklärung. Ohne Hast, wiewohl nicht minder bedrohlich, umstellten sie jene drei, die Ray festhielten und ihn geschlagen hatten. Diese wollten sich nicht davon einschüchtern lassen, traten keinen einzigen Schritt zurück, sondern warfen lediglich ihrem Herrn einen fragenden Blick zu.
    Jener räusperte sich verdrießlich – offenbar das Zeichen, Ray freizugeben, denn nun ließen ihn seine Männer ohne weiteren Widerstand fallen. Mit einem leisen Stöhnen sank Ray auf seine Knie und hielt sich den Bauch.
    »Gaspare!«, stieß der Dicke schließlich aus, endgültig bekundend, dass sein Gegenüber ihm nicht fremd war. »Hatte dich nicht so früh hier erwartet. Hab mir gedacht, du würdest auf der Fahrt hierher noch ein paar verhassten Genuesen den Leib aufschlitzen. Wär mir auch lieber gewesen. Dann könntest du mir hier nicht lästig werden.«
    Gaspare ging nicht darauf ein. »Die beiden gehören mir, Ramón!«, sagteer.
    Der Feiste lachte freudlos. »Hast du tatsächlich genug vom Morden, dass du hier auftauchen musst?«, fuhr er fort, nunmehr sehr langsam, als stellte er sich auf ein gemütliches Plauderstündchen ein, für das sie alle Zeit der Welt hätten. »Oder hast du Angst gehabt, dass du nicht immer im Vorteil sein könntest? Dass du irgendwann durch der Genuesen Hand krepierst?«
    Gaspare schnaubte. »Das hättest du gerne, nicht wahr?«, zischte er. »Dass ich irgendwo verrecke und niemand davon erfährt. Aber König Pere hat mir hier ein Lehen zugesichert, und du wirst es mir nicht streitig machen, Ramón.«
    »Pah!« Ramón schnaubte, halb knurrend, halb verdrießlich. »Ich habe mich stets gefragt, warum Pere Leute wie dich in seinen Dienst nimmt. Können die Katalanen nicht alleine kämpfen? Brauchen sie tatsächlich Lateiner zu ihrer Unterstützung?«
    Er erwartete wohl keine Antwort, sondern spie voller Verachtung auf den Boden. »Du bist keiner

Weitere Kostenlose Bücher