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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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kippte zur Seite, und sie nickte ein. Sie dämmerte vor sich hin, um dann und wann die Augen zu öffnen, der Tag ging auf diese Weise schneller vorüber, als wäre sie wach, und als sie schließlich wieder einmal die Augen aufschlug und stöhnte, weil ein Schmerz durch den Nacken fuhr und im Kopf weiterpochte, so gewahrte sie, dass die Luft, die durch die Ritzen strömte, kühler geworden war. Sie setzte sich auf, suchte nach Ray, erkannte zu ihrem Entsetzen, dass er nicht hier war.
    »Ray!«, rief sie. »Ray!«
    »Hier bin ich!«
    Seine Stimme kam nicht aus ihrem engen Gefängnis, sondern von draußen. Auch heute hatte sich Akil nicht die Mühe gemacht, sie einzusperren – wohl wie Gaspare darauf vertrauend, dass sie nicht wagen würden, freiwillig in die Nähe von Gaspares Mannschaft zu geraten.
    »Was machst du da draußen? Komm wieder zurück!«
    Ray antwortete nicht auf ihre Forderung. »Ich hab ... ich hab Gaspares Männer den ganzen Nachmittag beobachtet. Sie sind fast alle von Bord gegangen, wohl um zu saufen oder sich mit Huren zu vergnügen.«
    »Ray ...«
    »Sei still! Kein Laut! Wenn wir fliehen wollen, dann ...«
    »Ich will nicht fliehen!«, begehrte sie auf. Die Kopfschmerzen wurden unerträglich, als sie sich aufrappelte. Dennoch fiel die Trägheit des Tages von ihr ab, als sie in den Gang trat.
    »Caterina! Wir müssen weg von hier, das weißt du so gut wie ich. All das Gerede, von wegen Gaspare vertrauen! Ha! Den Fehler mache ich ganz bestimmt nicht. Nein, nein, wir müssen fort von hier, je eher, desto besser. Und heute ist unsere Gelegenheit. Ich habe es mir genau überlegt. Wir müssen nicht bis ans Deck, sondern nur bis ans Ende des Vorschiffs. Dort ist ein kleiner Raum mit den Tauen und Segeln, das weiß ich genau, ich habe achtgegeben, als Akil mich seinerzeit an Deck geholt hat, um den Verletzten zu retten. Und wiederum daneben ist jener Raum, wo ansonsten der Anker liegt, verstehst du?«
    Erwartungsvoll starrte er Caterina an, und als sie nicht antwortete, so rief er selbst überzeugt: »Der Anker wurde durch eine der beiden Luken rechts und links des Vorschiffs ins Wasser gelassen. Von dort aus können wir ins Meer springen; die Luken sind groß genug, damit wir uns durchzwängen können.« Seine Stimme überschlug sich, so schnell sprach er.
    Caterina rieb sich die schmerzenden Schläfen. »Bist du wahnsinnig? Ins Meer springen? Wir werden beide ersaufen!«
    »Ich kann schwimmen – und ich kann dich über Wasser halten, hab keine Angst. Hehe! Damit hat keiner gerechnet, dass ich schwimmen kann. Davide hat’s nicht geglaubt, und Gaspare wohl auch nicht. Wenige können’s, oft nicht mal Fischer. Aber ich kann alles, was man braucht, um durchzukommen. Und ich schwöre dir, heute hat es endlich ein Ende mit dem dummen Herumsitzen und Warten!«
    Er schüttelte seine Glieder durch, wie’s ihm eigentümlich war, und als er zu ihr trat, um sie an der Schulter zu packen und mit sich zu ziehen, so waren seine Schritte nicht schwer, sondern behände.
    »Komm schon!«
    »Ray, ich will das nicht! Gaspare hat uns versprochen, dass ...«
    »Mein Gott, bist du dumm und leichtgläubig! Hast du dir schon einmal überlegt, was mit uns geschieht, wenn Gaspare etwas zustößt? Er könnte wie jeder andere von einem gebrochenen Mast getroffen werden – und was geschieht wohl, wenn er sich nicht seine Schulter ausrenkt, sondern das Genick bricht? Niemand wird sich dann um uns scheren, keiner sich an sein Versprechen halten – das ich im Übrigen nicht aus seinem Mund zu hören bekam. Wir müssen jetzt handeln, Caterina, jetzt! Verdammt, nun komm schon!«
    Halb zog er sie, halb folgte sie ihm freiwillig. Das schmerzhafte Pochen in ihrem Kopf schwoll ab, das in ihrem Herzen schien jedoch die Brust zu zersprengen. Wo er sie auch hinzerrte – sie witterte keine Freiheit dort, nur Bedrohung und Schwärze.
    »Ray ...«
    »Wenn du schreist, wird man uns hören. Was glaubst du, was geschieht, wenn man uns hier entdeckt?«
    »Ray, wir müssen zurück ...«
    Sie hatten jenen Punkt erreicht, den er für ihre Flucht vorgesehen hatte. Er musste sie schon länger geplant haben, musste sich an dem Gedanken daran aufgerichtet haben, seitdem er erfahren hatte, dass es nach Malta ging.
    Caterina steckte den Kopf durch das Loch, das er ihr zeigte. Die Nacht war sternenklar, aber ansonsten tiefschwarz; der Mond war zu einer schwachen Sichel geschrumpft und gab nur fadendünnes Licht. Glatt war das Meer, ein dunkles Tuch, das

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