Die Tochter des Ketzers
erzeugt wurde, sie von der viel schwierigeren Frage, was sie morgen tun sollte, befreite.
Sie setzte sich auf, lauschte. Kam es aus Tiermäulern oder aus Menschenmündern? Ein wenig klang’s, als hätte jemand Schmerzen. Vielleicht war der trübsinnige Schmied zu sich gekommen, anstatt fortwährend mit tränenden Augen ins Leere zu starren.
Caterina stand auf, suchte sich in dem engen Verschlag zu orientieren, zog ihren Plaid über, weil sie trotz der stickigen Luft fröstelte. Sie ertastete im rauen Holz die Türe, öffnete sie, bedingte ein Quietschen, das so laut war wie die absonderlichen Geräusche. Nun endlich erkannte sie, woher jene stammten, und was sie sah, deuchte sie das Abscheulichste zu sein, was sie jemals in ihrem jungen Leben erblickt hatte.
Leiber, sich windende Leiber. Nein, eigentlich nur einer, der sich bewegte, jener von Ray, auf Faïs liegend. Sie hatte die Beine gespreizt, die Knie angehoben; ihr Kopf ruhte auf ihren ausgebreiteten Haaren, und der Blick war entrückt gegen den Himmel gerichtet. Ray hielt sie an den Kniekehlen, drückte sie nach hinten und drängte seinen Leib mit ruckartigen Stößen an ihren. Seine Hosen rutschten dabei langsam immer tiefer, entblößten sein Hinterteil, prall und kräftig, im Mondlicht gelb glänzend. Indessen Faïs manches Mal den Blick vom Himmel löste und auf ihn blickte, lächelnd, gierig und irgendwie auch ein bisschen verloren, starrte er geradeaus, die Stirn in Runzeln gelegt, als würde er nicht nur Lust erleben, sondern auch Mühe. Sein Mund, bar des üblichen spöttischen Lächelns, schien grimmig entschlossen.
Als er den Rhythmus seiner Stöße beschleunigte, begann sie spitz zu schreien, doch auf eine Weise, die nicht zu seinem Tempo passte, gleich so, als hinkten ihre Empfindungen den seinen hinterher. Sein Gesicht verdunkelte sich, sein Ächzen wurde tiefer. Schließlich riss er mit einem letzten lauten Aufstöhnen seinen Kopf zurück, verharrte nunmehr steif und presste seine Augen zu Schlitzen. Faïs hingegen blieb ganz ruhig liegen, den Blick nun wieder auf ihn gerichtet, diesmal nicht mit jenem sachten Anflug von Wehmut, sondern voller Stolz.
Sie hob die Hände, um ihn an sich zu ziehen, doch Ray schüttelte nur den Kopf, löste sich von ihr und ließ sich auf sein Hinterteil fallen, über das er schnell wieder seine Hosen gezogen hatte.
Erst in diesem Augenblick vermochte Caterina ihren Blick von ihm zu lösen. Sie wusste, sie hätte früher wegsehen müssen, hätte ihre Augen nicht vergiften lassen dürfen von diesem teuflischen Spiel der beiden Leiber.
Doch sie war erstarrt gewesen, dem Anblick ebenso ausgeliefert wie der Hitze, die unerträglich und beschämend, berauschend und erregend, von ihren Fußspitzen aufsteigend über ihren ganzen Körper geklettert und – im dunkelroten Gesicht angekommen – langsam, schaudernd langsam über den Rücken gerieselt war.
Erst als Ray hochblickte und sie gewahrte, erst als auf seinen Lippen das übliche Grinsen erschien und die Falten von seiner Stirne verschwanden, da vermochte sie sich wieder zu regen.
»Wie kannst du nur?«, rief sie. »Wie kannst du nur?«
Dann hatte sie sich umgedreht, war durchs Dorf gelaufen und beinahe über einen schlafenden Hund gestolpert, in der farblosen Nacht kaum mehr als ein dunkler Schatten.
»Lauf nicht weg!«, rief Ray, der alsbald ihre Verfolgung aufgenommen hatte, ihr lachend nach. »Lauf nicht weg.«
»Maiorem inimicum non habeam corpore!«, rief sie empört.
»Häh?«
»Einen größeren Feind als meinen Körper habe ich nicht«, übersetzte sie erbost. »Weißt du das denn nicht, Ray? Alle Übel, Laster und Sünden gehen vom Körper aus! Und du Schwächling bist ihnen erlegen!«
»Ach, Caterina ...«
Sie ging nun etwas langsamer. »Und obendrein ist sie deine Helfershelferin!«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich habe euch durchschaut! Ihr habt den rechtgläubigen Menschen einen ... scheußlichen Betrug vorgespielt!«
»Dies, fromme Base, solltest du dir zum Anreiz nehmen, nicht allzu rechtgläubig zu sein.«
»Hör auf, über mich zu spotten! Wie kannst du dich selbst als Heilkundigen bezeichnen, und ...«
»Hab’s doch schon gesagt: Ich hätte eine Menge dafür gegeben, wenn ich in Montpellier hätte studieren können. Aber mein Vater hatte kein Geld dafür. Dieses Geld haben ihm die Franzosen genommen, weil sie ihn für einen Ketzer hielten, ganz gleich ob er einer war oder nicht. Schade eigentlich. Nicht, dass er kein Ketzer war.
Weitere Kostenlose Bücher