Die Tochter des Ketzers
nicht mehr retten! Holt den Pfarrer!«
Als ob ein Pfarrer jetzt noch helfen könnte, wenn der Teufel schon von ihr Beschlag genommen hatte, dachte Caterina und trat sicherheitshalber ein paar Schritte zurück.
»Vielleicht ist es ein Fieber«, schlug eine der Frauen vor. »Mein Neffe litt unlängst auch daran. Alle drei Tage überkam’s ihn aufs Neue ...«
»Das klingt mir mehr nach Wollust, nicht nach Fieber.«
»Ach red du nur!«
Ein müdes Gelächter flammte auf.
Ein gleichaltriges Mädchen beugte sich schließlich zu der Leidenden herunter. »Mein Gott, es ist Faïs. Die Tochter des Schmieds.«
»Dann sollten wir vielleicht den Vater holen, dass er sie sterben sehen kann ...«
Trotz der Worte löste sich niemand aus dem Halbkreis, denn just in diesem Augenblick gab das Mädchen den schrillsten und gequältesten Schrei von sich. Weitere Gaffer wurden angelockt – aber nicht nur diese.
Caterina hatte Ray nicht kommen sehen. Er musste sich von hinten genähert haben, beugte sich schon über den verkrampften Leib, prüfte zuerst die Stirne, tastete dann den aufgeblähten Bauch ab.
Weder Mitleid noch Ekel standen in seiner Miene, auch kein Spott. So nüchtern und beherrscht ging er vor, als wüsste er, was er täte.
Nicht länger von der unselig wirkenden Macht des Bösen abgeschreckt, trat Caterina wieder nach vorne, um ihm genauer zuzusehen. Ihr Erstaunen, dass er tatsächlich etwas von Heilkunst verstehen könnte, wurde offenbar von den anderen geteilt. Schon hörte sie die Menschen raunen, ob Ray vielleicht doch ein Apothecarius sei, wie er sich selbst bezeichnet hatte, anstatt ein Quacksalber, für den man ihn gehalten hatte.
»Weißt du ... weißt du, was sie hat?«, fragte die junge Frau, die das Mädchen als Faïs erkannt hatte. Kurz ließ Ray von dem gequälten Körper ab, blickte hoch und verzog nachdenklich die Stirne in Runzeln. Das Sonnenlicht blendete ihn, dass er seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammenpresste.
»Eine fürchterliche Krankheit, die in den Gedärmen hockt und für gewöhnlich den Menschen dahinrafft, den sie befallen hat. Doch gottlob führe ich ein Heilmittel mit mir, welches der große Apotheker Pere Jutge von Barcelona selbst in solchen Fällen anrät«, begann er nachdenklich.
Der Name, den er erwähnte, schien den Menschen nicht vertraut zu sein, aber sein fremdländischer Klang verstärkte das respektvolle Murmeln.
Ray murmelte nun auch, schien eher sich selbst als den Menschen noch genauer zu erklären, welche Krankheit es war, an der das Mädchen litt. Caterina hatte den Eindruck, dass diese Bezeichnung nach Latein klang, doch sie war von seinem Nuscheln so gedämpft, dass sie sie nicht ganz verstand und nicht übersetzen konnte. Offenkundig schien nur, dass sie irgendetwas Verdorbenes gegessen hatte. Nicht minder geheimnisvoll raunte Ray nun von der Rezeptur, die dagegen hülfe: »Das Heilmittel, welches ich meine, ist Süßholzsaft, den man mit dem Mark der Cassia vermischt – das heißt dann Lakritze und könnte vielleicht helfen.«
»Nun und?«, fragte einer der Umstehenden ungeduldig. »Du hast doch gesagt, du hättest etwas davon bei dir!«
Da war Ray schon aufgesprungen – nicht ohne vorher den bleichen Kopf des Mädchens vorsichtig auf dem Boden zu betten –, zu seinem Holzwagen gelaufen und kehrte von dort mit einer seiner vielen Ampullen wieder.
Der Inhalt roch nicht weniger ekelerregend als die Medizin, die er bereits am Vormittag angepriesen hatte. Doch diesmal wandte sich keiner spöttisch ab, sondern jeder neigte sich noch dichter über das Mädchen, um mitzuerleben, wie Ray ihm die Medizin verabreichte.
Auch Caterina hatte nun endgültig ihren Abstand aufgegeben, war nah an die kranke Faïs herangetreten und vergaß fast das Atmen, indessen sich die Ampulle leerte.
Fast augenblicklich hörte nun das Zucken des gequälten Leibes auf, die Krämpfe schwanden, und die Glieder des Mädchens sanken schlaff zu Boden.
»Lasst sie jetzt in Ruhe!«, rief Ray in die Runde. »Sie muss sich ausruhen.«
Vor seiner abwehrenden Hand traten alle ein wenig zurück, aber waren nicht bereit, den Platz zu verlassen. Ein jeder wollte – so wie Caterina – wissen, ob jene geheimnisvolle Rezeptur tatsächlich einen Nutzen erbrachte und ob man Ray vielleicht Unrecht getan hatte, als man ihn nur für einen Gaukler und Betrüger gehalten hatte.
Nicht lange blieb Faïs’ Kopf am Boden ruhen. Zwar rastete sie noch ein Weilchen, kaum waren die üblen Krämpfe
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