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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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bessere Helfershelferin haben. Ich meine nur, wir müssten noch daran arbeiten, wie die Genesung vorangeht. Ging mir doch ein wenig zu schnell heute. Du hattest kaum meine Arznei geschluckt, da warst du schon wieder auf den Beinen.«
    »Ach geh!«, rief sie lachend. »Gab’s einen, der dem nicht traute? Haben sie dir das nutzlose Zeug nicht umso schneller aus den Händen gerissen? Möchte ja nicht wissen, wie viel Möwenscheiße du heute an den Mann gebracht hast.«
    »Kaum zu glauben, wie dumm das Pack ist. Du könntest ihnen selbst Pisse andrehen, und sie wären dir noch dankbar dafür!«
    Faïs brach wieder in glucksendes Lachen aus, das etwas rauer klang, nun, da Rays Hand langsam ihre Wange verließ und tiefer über ihren Nacken, dann über den Ansatz ihrer Brüste glitt.
    Noch immer stand Caterina wie erstarrt. Sie gewahrte kaum, wie eine Feige auf den Boden plumpste.
    Nachlässig drehte sich Ray zu ihr um und schien sich nicht zu schämen, ertappt worden zu sein.
    »Na, liebste Base? Können wir uns nun den Wanst vollschlagen?«
    Verbrauchte Luft stand in dem niedrigen Verschlag. Die Ritzen waren zu klein, um sie daraus zu verscheuchen. Es roch nach Schimmel, der sich in den feuchten Ecken eingenistet hatte, und nach Rauch, der von der angrenzenden Schmiede kam. Die dortige Glut schien freilich schon länger kein Metall geleckt zu haben. Als Caterina, daran vorbeigehend, einen Blick auf den Schmied erhascht hatte – oder zumindest auf jenen Mann, den man so nannte –, so war dieser wie ein Häuflein Elend in der Ecke gehockt, hatte weder aufgeblickt noch auf Faïs’ Worte geantwortet. Eine Träne war ihm über die eine Wange gerollt, ohne dass er danach trachtete, sie fortzuwischen, und seine Hände hatten gezittert.
    »So geht es immer mit ihm, wenn er nichts zu saufen hat«, hatte Faïs kühl festgestellt. »Aber ich bringe ihm ganz gewiss keinen Wein. Soll er doch selber schauen, wie er sein Geld verdient!«
    Bei diesen Worten hatte sie Ray angegrinst. Dass sie selbst an diesem Tag sehr viel Geld verdient hatten, erfüllte sie ganz offenbar mit Stolz, und dass Caterina von ihrem scheußlichen Betrug erfahren hatte, bekümmerte weder sie noch Ray.
    Vorhin war Caterina zu empört gewesen, um Ray anzuklagen. Sie hatte ihn sprachlos angestarrt; eine weitere Feige war zu Boden geplumpst, aufgeplatzt und ihr roter Saft in den Staub geflossen, doch er hatte nur gelacht.
    »Was willst du noch alles fallen lassen?«, hatte er sie geneckt und dann hinzugefügt: »Ja, hast du ernsthaft geglaubt, ich sei nun doch ein brauchbarer Heiler?«
    Ja, das hatte sie geglaubt, und sie schalt sich nun selbst dafür, als sie sich unruhig hin und her wälzte. Die Strohmatte, auf der sie lag, war nicht minder feucht und gewiss ebenso verschimmelt wie die Ecken des Verschlags. Sie war froh gewesen, sich hierher zurückziehen zu können, indessen Faïs und Ray beschlossen hatten, noch draußen sitzen zu bleiben. Ich muss von ihm weg, so schnell ich kann. Ich riskiere das Heil meiner Seele, bleibe ich bei ihm. Aufspringen muss ich, fliehen. Nie hätte ich noch diese Nacht bei ihm zubringen dürfen!
    Sie starrte in die Dunkelheit, ein Ort raunender Schatten – und Ängste. Sie lagen miteinander im Widerstreit, bildeten ein Knotenwerk von Widersprüchen.
    Schlecht sei die Welt, hatte der Vater gesagt und ihr im Sterben den Auftrag erteilt, den Schatz zu retten, der die Rechtgläubigkeit der Familie unter Beweis stellte. Aber er hatte ihr nicht gesagt, wie sie das anstellen sollte. Die Wand, die er zwischen sich und die Sünde geschoben hatte, war eine ebenso unverrückbare wie glatte. Nichts war darauf eingeschrieben, was mehr erklärte als nur, dass es am besten war, sich vor der Welt zu verstecken. Keinen Sprung gab es, hinter den man lugen und mehr Ratschlag erhaschen konnte. Sie durfte nicht mit einem wie Ray zusammen sein. Aber sie wusste nicht, was sie ohne ihn machen sollte. Und flüchtig streifte sie die Ahnung eines Ge- fühls gegen den Vater, das sie ebenso verboten wie berechtigt deuchte: Wut. Wut, dass er ihr nicht mehr Rüstzeug mitgegeben hatte, um des Lebens Tücken Herr zu werden.
    Caterina zuckte zusammen. Ein leises Ächzen war von draußen zu vernehmen, kaum lauter als ein Vogelgezwitscher, ungewöhnlich jedoch, weil es – anders als dieses – von der Schwärze der Nacht verkündet wurde. Sie hätte es überhören können – und biss sich doch daran fest, erleichtert, dass die nichtige Frage, wovon es wohl

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