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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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hatte doch nicht das Gefühl, ich könnte jemals darin versinken. Mochten ihre Augen auch wasserblau sein, ihre Oberfläche schien nicht widerstandslos wie dieses.
    »Dein Vater ...«, setzte ich an, »dein Vater wird es wünschen!«
    Gewiss, dachte ich mir, war sie nicht mehr weit vom zwanzigsten Lebensjahr entfernt – und ungern nahmen Männer Frauen, die es überschritten hatten; die Zeit drängte also.
    Ihre Stimme wurde weicher, sie sprach, ohne lange nachzudenken, wohl weil ihre Entscheidung schon lange zuvor festgelegt worden zu sein schien, unerschütterlich, unzweifelhaft.
    »Mein Vater ist manchmal ein feiger Mann. Er will nicht, dass wir ... auffallen. Aber pah! Er würde mich niemals zu etwas zwingen, was ich nicht selbst wünsche. Im Gegenteil. Er weiß wie ich ...«
    Jetzt erst zögerte sie kurz. »Mein Vater weiß wie ich«, sprach sie schließlich fort, »dass es besser ist, unverheiratet zu bleiben. Wem es nicht gegeben ist, die Triebe seines Körpers zu beherrschen, der sollte schlimmsten Schaden für seine Seele meiden, indem er einen rechtmäßigen Bund eingeht. Doch alle, die darauf zu verzichten mögen, treffen gewiss die bessere Wahl. Die Lust dient dazu, Kinder zu zeugen – doch was braucht es Kinder in einer solchen Welt?«
    Unbehagen kroch an mir hoch, als wäre es womöglich nicht nur befremdlich, sondern auch gefährlich, Derartiges zu hören. »Wie kannst du so etwas sagen? Es ist doch nichts Schlechtes, wenn Mann und Frau ...«
    »Es ist dem Menschen angeraten, sich vor der Unzucht zu hüten!«, fiel sie mir ins Wort. »Denn wer Unzucht treibt, handelt wider den eigenen Leib, und jener ist doch ein Tempel des Geistes, oder nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte noch nie bei einem Mann gelegen, doch wann immer ich es mir vorgestellt hatte, so war es mir selbstverständlich erschienen, nicht unrecht.
    »Ich verstehe dich nicht ...«, murmelte ich.
    »Ja!«, rief sie aus. »Lasst euch vom Geist leiten, und erfüllt nicht das Begehren des Fleisches. Geist und Fleisch stehen sich als Feinde gegenüber, und die Werke des Fleisches, das sind Unzucht, Eigennutz, ein ausschweifendes Leben, Eifersucht, Streit ...«
    Ihren Leib, dessen Regungen sie so verächtlich benannte – ich spürte ihn ganz deutlich. Nicht mehr nur ihren heißen Atem, nicht mehr nur ihren harten, fordernden Blick. Ich schmeckte – offenbar ob des Mangels an Riechwasser – den Anflug von Schweißgeruch, säuerlich und ranzig süß zugleich. Und indessen sie mich fester an der Schulter hielt, so streifte ich auch kurz ihre sehnige Gestalt. Nichts Weiches, Rundes war an dieser zu erahnen.
    »Ist es wahr, dass du ... einen Schatz besitzt?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
    Sie musterte mich, anfangs noch kühl berechnend, dann schließlich mit jener warmen Freundschaftlichkeit, die mir zuvor kein Mensch jemals entgegengebracht hatte.
    »Ich bin sehr reich«, sagte sie. »Wenn du willst, dann könnte ich dich freikaufen.«
    Es gab Sklaven, die sehnten sich nach Freiheit. Vor allem die Begabteren, die einen Beruf erlernt hatten und damit Geld verdienten, sparten dieses oft, um sich irgendwann den Freibrief zu kaufen, und trugen hernach stolz den Pilleus, die Kopfbedeckung der Freigelassenen. Wieder andere taten – aus Furcht, nach dessen Tod auf einem Sklavenmarkt zu landen – alles, um den Herrn zumindest so geneigt zu stimmen, dass er ihnen in seinem Testament die Freiheit versprach.
    Aber ich – ich wollte nicht Freiheit, ich wollte Gaetanus.
    Nun, wie sie da vor mir stand, auf eine Antwort wartete, mir aufmunternd zulächelte, da fragte ich mich, ob größtmögliche Freiheit für mich vielleicht bedeutete, ihn nicht mehr zu lieben. Ich erwiderte ihr Lächeln, traurig, trostlos. Diese Art der Freiheit konnte sie mir mit keinem Schatz der Welt schenken.

Kapitel VI.
Languedoc, Frühling 1284
    Wortkarg verlief der nächste Morgen. Caterina weigerte sich, von dem Fladenbrot zu nehmen, das Faïs ihr anbot. Jene warf dann und wann einen verschwörerischen Blick auf Ray und grinste, doch kaum sah er sie nicht mehr an, wirkte sie verkniffen und traurig.
    Als Ray den Weg zum Markt nahm, um dort weiteren Proviant für die Reise zu kaufen, wandte sich Faïs an Caterina.
    »Trägst dein Naschen ganz schön hoch, Mädchen!«, höhnte sie bitter. »Ich merke doch, dass du mich nicht mal anschauen magst! Aber glaub mir ... zu dieser Sache gehören immer zwei!«
    Caterina zuckte unwirsch mit den Schultern. Erst als Faïs

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