Die Tochter des Ketzers
dir nun helfen ... mit diesem Schatz?«
Seine Augen blickten im fahlen Licht ausdruckslos. »Warum solltest du das tun?«, fragte sie. »Wieder und wieder hast du den Anschein erweckt, dass dir nichts heilig ist. Warum dann dieser Schatz?«
»Sagte ich, dass er mir heilig wäre? Vielleicht will ich dir einfach nur helfen, weil du die einzige Verwandte bist, die ich kenne. Und vielleicht, wer weiß, gibt es in meinem bösen Herzen doch ein kleines Fleckchen, das an den Herrn im Himmel glaubt und an all die Heiligen, die in Scharen um Ihn herum hocken und Ihn beseelt angaffen ... Genau genommen habe ich nichts gegen den Allmächtigen. Ich will nur einfach keine Schwierigkeiten bekommen, und glaub mir, die sind schneller da, als man denkt, kaum ist der Herrgott im Spiel.«
Aus seinem Mund klang es wie eine Beleidigung.
»Ich muss ... ich muss diesen Schatz an einen würdigen Bestimmungsort bringen. Vielleicht ... vielleicht zu einem Bischof ... gewiss war es das, was mein Vater wollte. Wer, wenn nicht ein Bischof könnte entscheiden, dass mein Vater kein Ketzer war?«
»Nun, der nächste Bischof hierzulande hockt meines Wissens in Toulouse«, murmelte Ray nachdenklich.
»Wirst du mich dorthin begleiten?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Gesetzt, du findest ein Plätzchen, wo dein Schatz künftig von allen Menschen angebetet wird – ich denke doch, das ist’s, was du mit würdevoll meinst –, was wird dann eigentlich aus dir?«
Caterina senkte ihren Blick. Jene Frage verfolgte sie drängend – und sie hatte bislang keine Antwort darauf gefunden, hatte sie nur aufgeschoben, hoffend, dass irgendjemand ihr schon den Weg weisen würde, wenn nur erst der letzte Wille ihres Vaters erfüllt wäre.
Ray zuckte mit den Schultern. »Aber bleiben wir erst mal beim Bischof, der nicht nur deinen Schatz entgegennimmt, sondern obendrein eine Seelenmesse für deinen Vater liest – das hast du doch gewiss auch im Sinn, oder? Nun, welchen du aufsuchst, will gut überlegt sein. Nach den Kriegen war’s üblich, sämtliche Kleriker, die aus den großen Familien des Languedoc stammten, durch romtreue Franzosen zu ersetzen. Und Franzosen waren’s doch auch, die deinen Vater meuchelten, oder nicht?«
Erstmals war Caterina wirklich zum Weinen zumute: »Aber was soll ich denn sonst tun?«, rief sie verzweifelt. »Wohin soll ich gehen?«
Ray suchte den steifen Nacken aufzulockern, indem er den Kopf erst nach links, dann nach rechts drehte, die Schultern hob und wieder fallen ließ.
»Ich habe da eine Idee«, meinte er schließlich.!
Immer noch konnte sie kaum glauben, dass er es plötzlich ernst meinen sollte mit seinem Hilfsangebot. Doch ehe sie ihre Zweifel bekunden konnte, fuhr er schon fort.
»Ja, ich habe eine Idee – auch, was aus dir werden könnte. Du musst mir mehr von deinem Schatz erzählen ... Aber nicht mehr heute, morgen reicht.«
»Aber ...«
»Dann sage ich dir auch, was wir tun können.«
»Aber ...«
»Es ist zu kalt, um hier draußen herumzustehen.«
Er streckte sich ein letztes Mal, dann wandte er sich ab und ging, ohne sich zu vergewissern, dass sie ihm folgen würde. Sie erschauderte bei der Ahnung, wo er Wärme suchen würde.
Corsica, 251 n.Chr.
»Ich werde niemals eines Mannes Weib.«
Das war es, was Julia Aurelia sagte. Wiewohl sie mir diese Worte nur zuraunte, klang doch jenes schrille Zischen durch, das ihr wohl eigentümlich war, wenn sie sich erregte. Ich starrte sie verwundert an, wie sie da vor mir im Peristylium stand, nicht nur bereit, mit einer Sklavin zu sprechen, sondern dieser obendrein etwas anzuvertrauen, was schlichtweg absonderlich war.
Kurz drängte alles in mir, mich von ihrem beharrlichen festen Griff loszumachen, zu gehen, nichts mit ihr zu tun zu haben. Aber etwas hielt mich zurück – Neugierde und auch ein wenig Bewunderung für eine Frau, die sich, seitdem ich sie das erste Mal erblickt hatte, ganz anders verhielt als alle Menschen, die ich kannte.
»Was redest du da?«
»Ich werde niemals eines Mannes Weib.«
»Aber jede Frau schließt den Bund der Ehe! Es ist ihr Geschick!«
Zumindest das Geschick jeder freien Frau. Sklavinnen durften ohne Einverständnis ihres Herrn nicht heiraten. Aber da sie Tochter eines Kaufmanns war und offenbar reich, würde es genügend Anwärter geben.
»Wer sagt, dass es auch mein Geschick sein muss?« Ihr hei-
ßer Atem traf mich. Ihre Augen begannen zu glühen und schienen dennoch zugleich hart. Ich hielt ihrem Blick gebannt stand und
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