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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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gezweifelt, ob er wohl meinen Namen kannte. Aber dass er tatsächlich erst raten musste, sich nicht sicher war, wie das Mädchen hieß, dem er täglich begegnete, ließ eine Woge der Enttäuschung hochschwappen – und zu meinem Erstaunen auch etwas Ärger. Kurz ging mir durch den Sinn, dass Julia Aurelia – wäre sie denn hier – ihm wohl mit ihrer schrillen Stimme entgegenhalten würde: »Warum kennst du den Namen deiner Sklavin nicht?«
    In diesem Augenblick, dachte ich erstmals von ihr als meiner Fürsprecherin.
    »Also, Krëusa«, setzte Gaetanus an, während sein Blick schon nicht mehr auf mir ruhte; er hatte einen Brief erhalten und löste nun dessen am Ende versiegeltes Band, das die Rolle aus gefaltetem Papyrus zusammenhielt. »Du kennst doch des Kaufmanns Eusebius’ Tochter, nicht wahr?«, fragte er beiläufig.
    Wieder tat mein Herz einen Sprung, diesmal nicht freudig, sondern weil ich mich ertappt fühlte. Offenbar wusste er von Julias sonderlichen Gewohnheiten und auch, dass sie mir nicht fremd geblieben waren. Vielleicht wusste er sogar, dass ich ihr gefolgt war, und würde mich danach fragen.
    Doch indessen er mit dem Papyrus raschelte, benannte er ein ganz anderes Anliegen als das Erwartete. Ich riss erstaunt die Augen auf, ehe ich nickte und ihm versprach, seinen Auftrag sogleich zu erfüllen.
    Ich traf Julia in ihrem Gemach nicht an. Eine Sklavin hatte mich in der Villa des Eusebius willkommen geheißen und mich dorthin geführt, aber der Raum war leer. Bevor ich das Haus betreten hatte, war ich mir nicht sicher gewesen, was ich erwarten sollte – jene Reichtümer des Eusebius, über die so oft getuschelt wurde? Oder jene Armseligkeit, die Julia meist zur Schau stellte?
    Ihr Gemach war weder das eine noch das andere. Edel wirkten das Mosaik, die Malereien und die Teppiche an Wänden und Böden. Schlicht hingegen das Mobiliar: das Lectus, gleichzeitig Bett und Sofa, sowie mehrere Stühle, die – anders als bei guten Familien – nicht mit weichen Kissen ausgestattet waren. Ein kleines Tischchen befand sich zudem im Raum, und darauf waren Dinge, die jede andere Frau ihres Standes wohl auch besaß: ein runder Spiegel, aus polierter Bronze gearbeitet, ein Kamm aus Buchsbaum, kleine Döschen schließlich, vielleicht mit Schminke darin, mit Bleiweiß, Purpurfarbe, zermahlenem graublauem Eisenstein, vielleicht mit Parfüms, mit Myrrhe, Narde oder Rosenöl, vielleicht gefüllt mit jenen Zutaten, die Frauen verwendeten, um sich verjüngende Gesichtsmasken zu brauen, mit Narzissenzwiebeln oder Hirschhorn.
    Irgendwie war ich erleichtert, auf Gewohntes zu stoßen, nicht auf neue Rätsel. Ich trat zu dem Tisch, hob eine der Haarnadeln hoch, nicht eine aus Knochen, wie ich sie kannte, sondern aus Bronze mit einem funkelnden roten Stein an ihrem runden Ende.
    Wie würde ich aussehen, steckte diese Nadel in meinem Haar? Würde ich in feineren Kleidern einer römischen Edelfrau gleichen, oder würde mir stets die Sklavin anzusehen sein?
    »Willst du sie haben?«
    Ich schrak zusammen, ließ beinahe die Nadel fallen. Ich hatte nicht gehört, dass Julia kam. Nun stand sie an der Türe, sah mir zu.
    »Du kannst sie gerne nehmen«, bekräftigte sie und trat näher zu mir. »Ich brauche sie nicht.«
    »Aber Herrin, du ...«
    »Nenn mich Julia.«
    Ich zögerte, sie beim Namen zu nennen. »Warum trägst du sie nicht?«
    »Nutzloser Plunder. Vergängliche Welt«, murmelte sie verächtlich. »Sammelt nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören.«
    »Aber ich dachte, du wärst reich und stolz darauf. Ich dachte, du würdest einen Schatz besitzen!«
    Nachdenklich schaute sie mich an, aber sagte nichts.
    Entschlossen legte ich die Nadel zurück, wollte mich nicht mit einem Geschenk ködern lassen, wollte eigentlich gar nichts mit ihr zu tun haben. Freilich – diesmal hatte ich nicht freiwillig ihre Nähe gesucht. Gaetanus hatte mich geschickt. Eusebius hätte ihn im Namen seiner Tochter gebeten, mit einer römischen Sklavin auszuhelfen. Die seinen wären so ungeschickt, wüssten nichts von der derzeitigen Mode, der Art, wie die Römerinnen zurzeit die Haare trügen. Dieses eine Mädchen, Krëusa mit Namen, könnte vielleicht hin und wieder Julia zu Diensten sein?
    Es war mir merkwürdig vorgekommen, dass Julia Interesse an der römischen Mode haben sollte. Und nun war ich darin bestätigt, dass dies offenbar nur ein Vorwand war, mich hierher zu locken.
    »Was willst du von mir?«, fragte ich barscher,

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