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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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das Pergament gekommen?«
    Caterina blinzelte wieder. Das Licht traf sie erneut wie ein Schlag, aber war weniger grell, gab Konturen frei, jene von Ray und jene von dem Mann, mit dem er sprach. Trotz des gekränkten Tonfalls leuchtete in den Augen dieses Mannes etwas auf, eine gewisse Lust an diesem Handel – und Gier. Seine Lippen hoben sich kaum merklich über spitze Zähne, brachten zwar kein echtes Lächeln zustande, jedoch den Anflug von Genugtuung, da es nun ans Preisdrücken ging. Das wiederum schien sein eigentlicher Genuss beim Geschäftemachen zu sein.
    »Ich würde doch niemals solch ein wichtiges Dokument fälschen!«, erklärte Ray eben im Brustton der Überzeugung. »Hier: Die Unterschrift des Bischofs von Toulouse. Und hier – von einem Papst höchstselbst ausgestellt.«
    »Und wie soll das in deine Hände gelangt sein?«
    »Was für eine Frage? Willst du etwa, dass deine Kunden diese Frage an dich richten, Davide?«
    Der Mann schnaufte gereizt.
    »Im Zweifelsfall«, fuhr Ray dann schon werbend fort, »kannst du die Reliquien gerne der Feuerprobe unterziehen. Man sagt, die Flammen könnten ihnen nichts anhaben, wären sie denn echt.«
    »Ha!«, lachte Davide freudlos. »Und wenn sie’s nicht sind? Dann stehen wir beide ohne da!«
    Erstmals entblößte er mit jenen Worten deutlich, dass seine Motive nicht besser wären als die von Ray und dass er nicht weniger gewillt war zu betrügen.
    Reliquien, ging Caterina durch den Kopf, sie sprechen von Reliquien ... mein Schatz ... wo ist er hin ... wer hat ihn mir gestohlen?
    Diesmal war sie auf den gleißenden Schmerz vorbereitet, der ihren Schädel durchzuckte; sie wartete ab, bis er verklang, suchte dann tastend nach dem Beutel, den sie stets mit sich getragen hatte – vergebens, wie sie alsbald feststellte. Er war fort.
    »Also, pack aus! Zeig mir, was du hast!«, forderte Davide indessen und verdrehte ungeduldig die Augen.
    Ray grinste. »Ich dachte, beim Konzil im Lateran wäre verboten worden, Reliquien außerhalb des Reliquiars zu zeigen. Und ich soll’s tun?«
    Wieder hoben sich Davides Lippen über die spitzen Zähne. »Glaub mir, Ray, jemand wie du wird für viel schlimmere Sünden in der Hölle schmoren.«
    »Worin ich dir natürlich den Vorrang lasse, Davide. Aber natürlich zeige ich dir gerne, was ich für dich habe. Beginnen wir mit dem Üblichen, das Besondere wollen wir uns doch bis zum Schluss aufheben: Fingernägel vom Heiligen Dominikus. Ein Stück der Kohlen, auf denen der Heilige Laurentius geröstet wurde. Und zuletzt ein Bissen Fleisch, den unser König Louis persönlich kaute – und ausspuckte.«
    »Dann muss es ein ziemlich zäher Brocken gewesen sein.«
    Caterinas Kopf war wieder schwer auf das harte Holz gesunken. Dennoch vernahm sie jedes Wort, verknüpfte es mit Erinnerungen. Carcassonne, der verletzte Ray – und sie selbst, die verzweifelt seine Sachen durchstöbert hatte, auf der Suche nach etwas, mit dem sie seine Verletzungen versorgen konnte. Die vielen Ledersäckchen und ihr absonderlicher Inhalt. Sie hatte sie alsbald vergessen, beschwichtigt von der Annahme, dass dieses Ding in der Schnalle wohl eines seiner absonderlichen Heilmittel gewesen sei. Wie dumm sie gewesen war, wie blind! Wie hätte sie Ray freilich die Abscheulichkeit zutrauen können, nicht nur mit Heilmitteln zu betrügen, sondern auch ... mit Reliquien? Mit dem Vermächtnis großer Heiliger, das von so vielen Menschen verehrte wurde – wie auch ihr Schatz?
    »Hier hast du auch einen Gürtel dazu, worin man die Reliquie aufbewahren, ja in Leibesnähe tragen kann«, erklärte Ray eben. »Das vergrößert ihre heilende Wirkung ...«
    Er schürte damit keine Begeisterung. »Du wirst auch nicht gerade einfallsreicher«, nörgelte Davide. »Beim letzten Mal wolltest du mir immerhin noch den Schädel der heiligen Martha von Bethanien andrehen, aus dem sich Wasser schöpfen lässt.«
    »Dann wär’s auch flugs geweihtes Wasser. Der Gürtel, von dem ich hier spreche, ist übrigens jener, den der Heilige Antonius getragen hat, als er die Dämonen erschlagen hat!«
    Caterina versuchte sich zu bewegen, ächzte, aber niemand hörte sie. Was für ein Unsinn! Unmöglich konnte es der echte Gürtel sein! Jener, den sie damals in der Hand gehalten hatte, glich solchen, die die Frauen hierzulande trugen.
    Aber längst war ihr aufgegangen, dass es sich hier nicht um echte Reliquien handelte, sondern um gefälschte. Sie hatte nicht gewusst, dass jemand dazu fähig war

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