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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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tatsächlich benennen sollte oder nicht.
    »Argèles«, knurrte er schließlich unwillig.
    Dies nun überstieg endgültig ihr Fassungsvermögen. »Noch ein Ort?«, brach es aus ihr hervor. »Ich dachte, du wolltest hierher, nach Collioure. Zu welchem Zwecke, verrätst du mir ja nicht, es geht mich auch nichts an. Nur will ich endlich nach Eine, wo der Bischof residiert, und nicht auch noch ....«
    »Ach, halt den Mund!«, fiel er ihr scharf ins Wort. »Dein Gezeter kann ich heute am allerwenigsten gebrauchen!«
    So gereizt hatte sie ihn selten erlebt. Verängstigt zuckte sie zusammen.
    Er fasste sich schnell wieder, durchpflügte mit seinen Händen das Haar.
    »Meinetwegen«, meinte er schließlich, »meinetwegen ... wenn du willst, dann geh eben in die Kirche beten.«
    Die Ruhe, die sie suchte, fand sie nicht. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Ray ihr zuliebe seine Pläne so plötzlich umgestoßen’hatte. Was ging ihm durch seinen Sinn? Was trieb er – damals in Perpignan, als er so plötzlich verschwunden war, und jetzo am Hafen, wo er sie nun doch nicht dabeihaben wollte? Hatte es – dieser Verdacht kam ihr zum ersten Mal –, hatte es womöglich etwas mit dem zu tun, was ihm in Carcassonne geschehen war? Hatte seine schlechte Laune nicht an jenem Tag begonnen, da er verprügelt worden war?
    Gott schien ihr keinen Trost schenken zu wollen, sondern schwieg sie an, und kurz mischte sich in ihre Verzagtheit echter Ärger. In den letzten Wochen hatte sie sich so verbissen darum bemüht, sämtliche Gebote zu befolgen, nicht nur den Willen des Vaters zu erfüllen, sondern vor allem den des Allmächtigen. Warum aber griff jener nicht ein für alle Mal helfend in ihr Leben ein und führte es wieder in beschauliche Bahnen? Was hatte es für einen Sinn, ihm zu dienen, wenn sich doch immer wieder neue Hindernisse aufrichteten ... wenn man am Ende vielleicht sogar – wie ihr Vater – als Ketzer verbrannt wurde? Zu Unrecht. Oder vielleicht doch ...?
    Caterina floh vor dem Gedanken und verließ die Kirche vorzeitig. Draußen fand sie den Himmel als Spiegel ihres Gemüts vor. Die vormals grelle Sonne hatte ihr Licht bereits verschleudert. Grau und farblos lag das Meer nun vor ihr, schlug lustlose Wellen, und das, was ihr vorhin noch Zeichen der Erhabenheit von Gottes Schöpfung war, vergrößerte nun ihre Verwirrung und Furcht.
    Sie rang mit dem Gedanken, ob es nicht besser wäre, sich von Ray zu trennen und sich selbst nach Elne durchzuschlagen, nicht länger auf ihn zu setzen also, wo bislang doch selten Gutes dabei herausgekommen war.
    Noch ehe sie sich tatsächlich überwinden konnte zu fliehen, kam Ray auf sie zugeeilt. Die üble Laune war wie weggeblasen, der umwölkte Blick wieder frei. Auf seinem Mund das altvertraute Lächeln, spöttisch und herablassend und doch auch voller Lebensfreude.
    »Es hat sich alles geklärt!«, rief er mitreißend. »Es hat sich alles geklärt! Nun komm schon, Base!«
    Er hatte sie am Arm gepackt, zog sie von der Kirche fort wieder in Richtung Hafen, sein Griff war fest und ungeduldig.
    »Was ... was redest du denn da, Ray?«, rief sie verständnislos. »Was hat sich geklärt?«
    Kurz ließ er sie los, hob abwehrend die Hände.
    »Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich noch nach Argèles muss«, drängte er sie. »Das ist ein kleiner Ort an der Küste, nicht weit von hier. Ein Boot wird uns dorthin bringen; so kommen wir viel schneller dorthin.«
    »Ein Boot?«
    Anstatt zu antworten, zog er sie nur umso energischer den Hafen entlang. Mürrisch wie der Himmel zeigten sich die Menschen hier. Nur Ray konnte von seiner diebischen Freude nicht ablassen.
    »Aber Ray, wir können doch nicht einfach ...«
    »Glaub mir, auch dir wird’s lieber sein, wenn ein anderer rudert, als dass du selber gehen musst.«
    »Und den Wagen? Du kannst doch nicht den Wagen hierlassen ...«
    »Das Wichtigste ist schon verstaut«, fiel er ihr ungeduldig ins Wort.
    »Und was machen wir in jenem Ort?«
    Ray lachte abfällig. »Sieh dich doch an, Base. Willst du so tatsächlich vor einen Bischof treten? Mit fleckigem, zerrissenem Kleid? Wir kaufen dir einen Stoff, und dann ...«
    »Das ginge an jedem anderen Ort nicht minder gut! Warum nicht hier?«
    Sie hatten das armselige Boot erreicht, es wackelte in den trüben Wellen, die an seinem Bug grünlich aufspritzten.
    Ratsuchend blickte sich Caterina um, als gäbe es hier irgendjemanden, der über Rays so wundersam gewandelte Laune urteilen könnte, der ihr sagen

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