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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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»Sei tapfer, mein Herz!«
    »Ist Papa tot?«
    Das Mädchen spürte, wie der Griff ihrer Mutter um ihren Arm einen Moment fester wurde, während Cerys ihre Tränen zurückdrängte. »Nein. Ich bin mir sicher, dass er noch am Leben ist. Er muss am Leben sein.«
    »Aber er würde doch nie weglaufen. Er würde uns nicht allein lassen! Wo ist er?« Eigon klammerte sich noch fester an Cerysʹ Umhang.
    »Ich weiß es nicht. Er versteckt sich, wie wir. Er wartet, bis die Römer verschwunden sind.« Jetzt warf auch Cerys einen Blick über die Schulter. »Kommt, wir gehen noch etwas tiefer in den Wald.«
    »Mama?«, jammerte Togo. Er war den Tränen nahe. Mit fünf Jahren war er der Jüngste, benannt nach Caradocs älterem Bruder, den die Eindringlinge vor zwei Jahren getötet hatten. Gwladys war sieben, Eigon fast zehn. Sie und Togo hatten das dunkle Haar, das blasse Gesicht und die klaren grauen Augen ihrer Mutter, die zu den Silurern gehörte, Gwladys hingegen war blond und hatte die durchdringend blauen Augen ihres Vaters.
    »Es wird alles gut. Kommt, Kinder, wir suchen uns jetzt ein gutes Versteck. Uns passiert nichts.« Jetzt war Cerys wieder
ihre Angst anzuhören. Blindlings schlug sie sich durchs Gestrüpp vorwärts, und die anderen folgten ihr.
    Kurz darauf stiegen sie wieder bergauf durch den Wald, der den steilen Abhang bedeckte. Hinter ihnen glühte der Himmel in einem immer tieferen Rot von den lodernden Flammen, die von den Wolken reflektiert wurden. Mittlerweile waren die Römer in die Festung selbst vorgedrungen und setzten jedes Gebäude innerhalb der Palisaden in Brand. »Beten wir, dass alle noch fliehen konnten«, flüsterte Cerys. »Diese Soldaten kennen kein Erbarmen.«
    Sie gingen weiter, wenn auch langsamer, kämpften sich durch das dichte Gestrüpp voran. Die beiden jüngeren Kinder weinten vor Angst und Erschöpfung. Eigon klammerte sich noch immer an den Umhang ihrer Mutter, als Cerys mit einem Aufschrei hinfiel. Sie war auf dem schlammigen Boden ausgerutscht und in ein Fuchsloch getreten, so dass ihr Knöchel umknickte.
    »Mama?« Verzweifelt zog Eigon an der Hand ihrer Mutter, um sie zum Aufstehen zu bewegen. Alle warfen ängstliche Blicke hinter sich.
    »Warte!« Blodeyn half Cerys, sich aufzusetzen. »Ich suche einen Stecken, auf den du dich stützen kannst.«
    »Ich schaff’s schon.« Cerys zwang sich aufzustehen. »Hier dürfen wir nicht bleiben.« Sie sprach durch zusammengebissene Zähne. »Wir müssen einen Unterstand finden. Aber noch nicht hier. Wir müssen weiter!«
    Am jenseitigen Waldrand fanden sie endlich Unterschlupf in einer aus Steinen gebauten Hütte. Das Dach war zum Teil eingefallen, und innen roch es nach getrocknetem Farn, nach Heu und Schafskot, aber sie waren vor dem heulenden Wind geschützt. Erschöpft und nach Atem ringend ließen sich die Frauen und Kinder auf den Boden fallen. Hier in
der Hütte war es dunkel, aber warm, und zumindest im Moment fühlten sie sich sicher.
    Alys breitete das Heu, so gut es ging, über die Kinder und tastete sich dann durch die Finsternis zu Cerys. »Gib mir deinen Fuß. Ich schau mal, ob er gebrochen ist.«
    Als Alys ein paar Sekunden später die Schwellung am Knöchel abtastete, hörte Eigon ihre Mutter aufstöhnen. »Der ist nur verrenkt«, sagte Alys. »Ich reiße einen Streifen von meiner Tunika und verbinde ihn.« Das Ratschen, mit dem sie den Leinenstreifen vom Saum riss, übertönte Cerys’ Widerspruch. »Morgen früh suche ich etwas Hirtentäschel und Bingelkraut und mache daraus einen Wickel, dann klingt die Schwellung schneller ab«, fuhr Alys fort. Ihr zuversichtlicher Tonfall heiterte sie alle ein wenig auf.
    Schließlich schliefen sie ein, zu erschöpft, um die Kälte oder den Hunger zu spüren. Auch wenn allmählich der Regen durch das verrottende Strohdach drang, kuschelten sich die beiden Mädchen unter dem Umhang ihrer Mutter zusammen, Togo schmiegte sich in Alys′ Arme.
    Eigon hörte die Pferde als Erste. Sie riss die Augen auf, sah die Fackeln und den lodernden Widerschein der Flammen an den feuchten Mauern. »Mama!«, schrie sie. »Wir müssen weg!«
    Vier Berittene standen in ihrem Blickfeld, keine zwanzig Schritte von der Hütte entfernt. Entsetzt starrte Cerys sie an, dann drehte sie sich zu ihren verängstigten Kindern. »Lauft, Kinder! Jetzt spielen wir Verstecken! Lauft zwischen die Bäume, und kommt erst raus, wenn ich euch rufe!« Sie schob die drei zu einem Spalt in der Rückwand hinaus, noch ehe Alys und

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