Die Tochter des Königs
Das Telefon ist kaputt, und mein Handy funktioniert nicht.«
»Gut, dann setzen Sie sich doch mal.« Er griff nach dem Kessel, genau wie seine Mutter es getan hätte. Die beiden Hunde saßen in der Tür.
In den wenigen Sekunden, in denen Rhodri den Kessel füllte, bekam Jess sich wieder einigermaßen in den Griff. »Das Auto ist nicht angesprungen. Ich musste weg. Sie hatten Recht mit Daniel. Er ist nicht der Freund, für den ich ihn gehalten habe.«
»Und Sie laufen vor ihm davon?«, fragte er ungläubig.
Jess nickte unglücklich. »Dummerweise habe ich ihn angerufen und ihm Vorwürfe gemacht. Er sagte, er würde sofort herkommen. Ich habe meine Sachen ins Auto geworfen, ich wollte weg sein, bevor er ankommt. Aber dann ist das Auto nicht angesprungen, und ich konnte niemanden anrufen, und ich habe …« Sie brach ab und biss sich auf die Lippe, wütend über ihr Gefühl von Schwäche.
»Und Sie haben Angst bekommen?« Rhodri hob die Augenbrauen. Er stellte den Kessel auf den Küchenherd und setzte sich Jess gegenüber an den Tisch, schob Stapel von Briefen und Blöcken beiseite, um die Ellbogen aufzustützen und ihr Gesicht zu mustern. »Also, hier kann er Sie ja nicht finden, also erzählen Sie mir die Geschichte mal von Anfang an. Warum in Gottes Namen haben Sie Angst vor ihm? Als ich Sie beide das letzte Mal sah, kam mir Ihr Umgang sehr vertraut vor. Irgendwie geht es jetzt doch um mehr als nur einen dummen Streich.«
»Tut es auch.« Sie zögerte, widerstand dann aber dem Drang, ihm die ganze Wahrheit zu erzählen. »Wir … wir haben uns an der Schule, an der wir unterrichten, nicht so recht verstanden.« Sie entschied sich für einen Kompromiss. Mein Gott, das würde sie sich nicht so schnell verzeihen, sich vor diesem Mann derart schwach gezeigt zu haben. Was musste er nur von ihr denken? »Deswegen habe ich gekündigt. Ich dachte, wir seien Freunde. Aber dann habe ich einen Fehler gemacht. Ich habe ihm gesagt, ich wüsste, dass er etwas Bestimmtes getan hat, und da ist er sehr wütend
geworden.« Sie zwang sich zu einem matten Lächeln. »Es tut mir leid, Sie in die Sache reinzuziehen, aber er war so voller Zorn, als ich sagte, ich wüsste, dass er es gewesen ist. Und als er dann sofort herkommen wollte … Sie haben Recht, ich habe Angst gekriegt. Ich will ihn einfach nicht wiedersehen.«
»Das überrascht mich nicht.« Rhodri stand auf und machte Tee. »Wenn wir den getrunken haben, fahre ich Sie nach Hause. Dann kümmern wir uns um Ihren Wagen und warten auf den Casanova. Ich bin stärker als er, vergessen Sie das nicht!« Er zwinkerte ihr über die Schulter zu.
Trotz allem musste Jess lachen. Plötzlich nahm sie seine breiten Schultern und seinen muskulösen Oberkörper in dem Hemd mit dem offenen Kragen sehr bewusst wahr. Rasch schaute sie fort. »Das stimmt.«
»Dann lege ich ihm in aller Freundschaft nahe, dass er wieder fährt und Sie in Ruhe lässt.« Er schob einen Becher Tee zu ihr hinüber. »Sie Ärmste. Dabei sind Sie eigens in dieses gottverlassene Fleckchen Erde gekommen, um etwas Ruhe zu finden. Geister und arrogante Opernsänger und jetzt auch noch rachsüchtige Lehrer. Was für eine Mischung!«
»Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Sie nicht da gewesen wären.«
»Ach, Ihnen wäre schon etwas eingefallen.« Er grinste. »Bald bin ich weg, eine Wohltätigkeitsgala in Mailand. Sie haben Glück, dass ich noch hier bin.«
Jess trank einen Schluck Tee und musste sich verblüfft eingestehen, wie enttäuscht sie über seine Abreise war. »Es tut mir wirklich leid, Sie in die ganze Sache mit reinzuziehen.«
»Machen Sie sich darüber mal keinen Kopf.« Plötzlich bemerkte er die Hunde und schnalzte mit den Fingern. Mit eingezogenem Schwanz schlichen sie nach draußen. »Schade,
dass ich Ihnen die nicht als Wachhunde mitgeben kann. Die würden den Kerl verjagen. Aber sie würden nicht bei Ihnen bleiben. Ihre Arbeit ist hier.«
»Und die machen sie sehr gut.«
»Ja, es sind Arbeitshunde. Deswegen dürfen sie auch nicht ins Haus. Nicht, dass momentan Schafe hier wären. Deswegen können Mum und Dad ja auch ein paar Tage wegfahren. Dave, unser Schäfer, hütet die Herde oben auf dem Berg. Wenn ich weg bin, liegt die Verantwortung bei ihm.«
Jess lächelte. »Bei Ihrer Mutter dürfen die Hunde schon ins Haus. Ich habe gesehen, wie sie sie reinlässt.«
Rhodri lachte leise. »Ich wette, dass Dad das nicht weiß.« Er stand auf. »Also gut, sind Sie so weit?«
Als der massige
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