Die Tochter des Königs
Allrad über den steilen, holperigen Feldweg zum Haus hinauffuhr, ballte Jess die Hände vor Nervosität. Doch als sie in den Hof fuhren, war von Daniels Wagen nichts zu sehen. Rhodri stellte den Motor ab und stieg aus. »Dann schauen wir doch mal. Schlüssel?« Er streckte die Hand aus.
Mit einem ängstlichen Blick über die Schulter reichte Jess ihm die Autoschlüssel und sah zu, wie er die Tür aufschloss und sich auf den Fahrersitz setzte. Sie konnte nicht fassen, was sie gerade getan hatte: Sie hatte einen Mann um Hilfe gebeten und sich dafür den arrogantesten Kerl ausgesucht, den es auf Gottes Erdboden nur gab und der selbst nach eigenem Dafürhalten arrogant war, und jetzt händigte sie ihm auch noch ihren Autoschlüssel aus!
Das Auto sprang sofort an.
Ungläubig starrte sie es an. »Aber der Motor war tot. Die Batterie war leer. Hundertprozentig.«
Rhodri trat aufs Gas. »Klingt einwandfrei. Nettes kleines Auto.« Er warf Jess einen Blick zu und zwinkerte. »Vielleicht ist der Motor abgesoffen.«
»Das Auto hat keinen Ton von sich gegeben. Nicht mal das Lämpchen hat aufgeleuchtet, als ich den Schlüssel umgedreht habe!«, fuhr Jess auf. »Ich bin doch nicht blöd! Ich weiß, wie man ein Auto startet!« Ihre Panik war in Wut umgeschlagen.
Rhodri stieg aus, ohne den Motor abzustellen. »Wir lassen ihn ein bisschen laufen für den Fall, dass die Batterie nicht ganz voll war. Ich habe nie behauptet, dass Sie blöd sind, oder?«
»Nein, aber das haben Sie gedacht!«
»Das stimmt nicht.« Er ging auf das Haus zu. »So, und jetzt schauen wir uns mal dort um, und dann warten wir auf Ihren netten Kollegen.«
Nach zwei Stunden war Daniel immer noch nicht aufgetaucht. In der Zwischenzeit hatte Rhodri ihnen ein Omelett gemacht, zu dem sie ein Glas Wein tranken, aber Jess brachte kaum einen Bissen hinunter. Ihr war die Situation zunehmend peinlich.
»Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass er noch kommt«, meinte Rhodri schließlich. »Es tut mir wirklich leid, aber ich muss zurück.« Er lächelte verbindlich. »Ich muss vor der Abfahrt noch einiges erledigen.«
»Natürlich. Es tut mir schrecklich leid.« Jess sprang auf. »Und ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe. Ich habe mich wirklich sehr dämlich benommen!«
Er lächelte nachsichtig. »Nur ein bisschen. Sie sind einfach ein bisschen in Panik geraten. Ist schon in Ordnung. Ich rate Ihnen, schließen Sie sich ins Haus ein und schlafen Sie sich gut aus. Morgen können Sie dann in aller Ruhe entscheiden, was Sie machen wollen. Lassen Sie sich von Ihrem Kollegen nicht aus diesem Haus vertreiben, Jess. Es ist zu schön hier. Denken Sie einfach immer dran, die Haustür abzuschließen. Lassen Sie sie nicht so einladend offen
stehen.« Bevor sie den Kopf wegdrehen konnte, hatte er ihr einen Kuss auf die Wange gedrückt. »In zwei Tagen sind meine Eltern wieder hier. Dann haben Sie etwas mehr Hilfe und Gesellschaft, ja? Und vergessen Sie nicht, Ihr Handy aufzuladen und sich wegen der kaputten Leitung bei der Störungsstelle zu melden!« Er ging zur Haustür.
Jess sah ihm nach, wie er mit dem Wagen rückwärts aus dem Hof fuhr. Nachdem er über den Feldweg hinab verschwunden war, blieb sie mehrere Minuten dort stehen, hörte auf den Vogelchor, der vom Wald herüberschallte, dann kehrte sie ins Haus zurück und schloss fest die Tür. Sie würde nicht hierbleiben und sich einschließen. Sie würde wegfahren, und zwar sofort.
Kapitel 7
S teph legte den Hörer auf und ging besorgt in die Küche zurück, wo Kim gerade dabei war, Zwiebeln und Tomaten anzubraten. »Ich hab’s den ganzen Abend versucht, aber sie geht weder ans Telefon noch ans Handy.«
»Vielleicht ist sie ausgegangen.« Kim gab ein paar Zucchinischeiben in die gusseiserne Pfanne und träufelte noch einen Schuss Öl dazu. Mit ihren dunklen Augen und Haaren und der fülligen Figur - die ihre Freude an ihrer eigenen Küche verriet - sah Kim aus wie die geborene italienische Mamma, dabei war sie in Romford geboren und mit Jess und Steph aufs College gegangen. »Und sie hat vergessen, ihr Handy mitzunehmen.«
»Das wird’s sein. Den Schaden an der Leitung in Ty Bran habe ich gemeldet. Sie haben es überprüft, die ist tatsächlich unterbrochen.«
»Dann wird ja bald jemand hinfahren und den Schaden beheben.« Kim trank einen Schluck Wein, bevor sie sich wieder ihrer Soße zuwandte. »Dann brauchst du dir jetzt keine Sorgen mehr zu machen, Steph. Jess ist erwachsen, sie braucht niemanden, der
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