Die Tochter des Königs
was ich getan habe, dass du plötzlich einen solchen Hass auf mich hast. Bitte erklär’s mir.«
»Wie bitte? Du weißt es nicht? Du dachtest, was du getan hast, ist völlig in Ordnung?« Ihre Stimme bebte.
»Nein, natürlich nicht. Das war nicht gut von mir. Ich war arrogant und ein Schuft. Und es tut mir leid. Ich bedauere es wirklich zutiefst.«
»Du hast also gedacht, du würdest mir beweisen, wie sehr du mich noch liebst?« Ihre Stimme bebte. »Da hast du dir eine sehr merkwürdige Art ausgesucht, mir das zu beweisen. Verschwinde, William.« Plötzlich war sie den Tränen nahe.
»Jess …«
»Raus!« Ihre Stimme stieg gellend in die Höhe.
Bitte, können wir jetzt mit dem Spielen aufhören? Das kleine Mädchen flüsterte ihr jetzt direkt ins Ohr. Jess legte die Hände auf die Ohren und schüttelte den Kopf. »Geh!« Das richtete sie an das Kind.
»Jess …«
»Und du geh auch, William! Jetzt! Ich will dich nie mehr sehen!«
»Aber bitte …«
»Geh! Verschwinde!« Jetzt schrie sie. »Ich bin hierhergefahren, um von dir wegzukommen. Ich habe in der Schule gekündigt, um von dir wegzukommen. Ich dachte, es wäre Ash, aber der war’s ja nicht, wie wir jetzt wissen, nicht wahr? Du hast mich bloß in dem Glauben belassen! Du hättest ihn als den Schuldigen dastehen lassen, sein Leben ruiniert, nur um deine Haut zu retten! Du bist nicht bloß ein perverses Ekel, du bist auch noch feige. Wenn du wüsstest, wie nah dran ich war, zur Polizei zu gehen. Und das könnte ich immer noch!«
»Jess …«
»Raus, William.« Sie sprach in einem gefährlich scharfen Flüsterton. »Raus, und zwar sofort.«
Schweigend stand er auf und ging zur Tür. Einen Moment blieb Jess wie gelähmt stehen, dann lief sie zum Fenster
und sah, wie William in den Wagen stieg, den Motor aufjaulen ließ und rückwärts aus dem Hof schoss, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Als er außer Sichtweite war, brach sie in Tränen aus.
Erst eine ganze Weile später hörte sie zu weinen auf. Dann ging sie zum Telefon und wählte Daniels Nummer. Beim dritten Klingeln hob er ab.
»Daniel! Wie konntest du bloß! Warum in aller Welt hast du ihm gesagt, wo ich bin?«
»Einen Moment.« Kurz herrschte Stille, dann hörte sie gedämpfte Stimmen, eine Tür knallte ins Schloss. Daniel kam wieder an den Apparat. »Wovon redest du, Jess?«
»Du weißt genau, wovon ich rede. Du hast William gesagt, wo ich bin.«
»Das hat er schon gewusst, Jess. Ich meine, es war ja nicht schwer für ihn zu erraten.«
»Aber du hast ihn angerufen. Du hast ihn angerufen und es ihm gesagt.«
»Nein. Er hat bei mir angerufen.«
Sie verstummte. William hatte sie also auch in der Sache angelogen. »Aber du hättest es ihm nicht zu bestätigen brauchen. Du hättest ihm sagen können, dass er mich in Ruhe lassen soll.«
Am anderen Ende der Leitung war ein amüsiertes Lachen zu hören. »Du schreibst mir weit mehr Einfluss auf ihn zu, als ich tatsächlich habe, Jess. Ich glaube nicht, dass ich ihn davon hätte abhalten können. Er hat alles darangesetzt, dich zu finden. Verstehe ich es recht, dass er mit dir gesprochen hat?«
»Er ist hier gewesen.«
Eine kurze Pause. »Ah so. Und was ist passiert?«
»Wir haben uns gestritten. Ich habe ihm gesagt, dass er verschwinden soll.«
»Und das hat er vermutlich auch getan, oder?«
»Ja.«
»Also, dann ist doch gar nichts passiert.«
»Nichts bis auf die Tatsache, dass du mich verraten hast.« Sie zögerte. »Ich habe schon mal versucht, dich anzurufen, Daniel. Ich habe nochmal über die Sache mit meinem Skizzenblock nachgedacht. Hast du das Haus hier so auf den Kopf gestellt? War das deine Vorstellung von einem Scherz? Hast du die Gläser zerbrochen und den Wein verschüttet?«
»Jetzt immer mit der Ruhe! Du weißt genau, dass ich es nicht war. Wie hätte ich das anstellen sollen? Und warum? Krieg dich wieder ein, Jess.«
»Aber es war doch ein Scherz, oder? Als was hast du es bezeichnet? Als Massenhalluzination? Du hast mich für ziemlich dumm verkauft, Daniel! Und jetzt hast du mir auch noch William auf den Hals gehetzt. Was willst du denn damit bezwecken?«
»Ich bezwecke gar nichts, Jess!« Daniel war empört. »Reiß dich mal ein bisschen zusammen, meine Liebe.«
»Bevormunde mich nicht so!«
»Ich bevormunde dich nicht.« Sein Ton war übertrieben ruhig. »Ich versuche, dich zur Einsicht zu bringen. Du reagierst völlig überzogen. Wieso bist du so sonderbar? Du benimmst dich wirklich wie eine
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