Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
gut, einen in der Nähe zu haben, denn sie ändern ihr Lied, wenn sie Gefahr bemerken«, erklärte Rema. Er warnte sie noch einmal vor dem Suwagras, das keinen Boden brauchte, sondern auf dem Wasser schwamm. »Manchmal werden die Gras-Inseln so alt und stark, dass Schilf und sogar Büsche und kleine Bäume darauf wachsen können. Sie sehen dann aus wie festes Land. Wer zu Fuß unterwegs ist, kann da leicht in eine tödliche Falle geraten«, erklärte er. Er schien sogar ein wenig stolz auf die gefährlichen Wunder zu sein, die das Fenn zu bieten hatte.
»Warum lebt diese Wika eigentlich hier draußen?«, fragte Maru.
»Sie mag Menschen nicht besonders, glaube ich«, sagte Rema, »und die meisten ihrer Kräuter findet sie wohl hier.«
»Allein zwischen all diesen Echsen, ist das nicht gefährlich?«
»Ich glaube, die haben mehr Angst vor Wika, als sie vor denen. Und vielleicht gefällt es ihr hier auch einfach.«
Maru seufzte. »Schwer vorstellbar. Aber ich glaube, ich könnte diesen Sumpf auch weit weniger schrecklich finden, wenn es endlich einmal aufhören würde zu regnen.«
Rema lachte. »Komm in drei Monden wieder! Dann geht das Wasser zurück, und wo wir jetzt noch rudern können, musst du durch knietiefen Morast waten. Die Flussechsen sind dann aus den Seitenarmen verschwunden, dafür fressen dich die Mücken auf. Aber still jetzt, wir sind da.«
Einige hohe Weiden schoben sich ins Blickfeld. Der Wasserarm verbreiterte sich, und vor ihnen ragte eine kleine Insel auf. Sie
war anders als die flachen, sumpfigen Eilande, an denen sie bisher vorbeigerudert waren. Es war ein Hügel, der sich aus dem Wasser erhob, so wie die Insel, auf der das Dorf lag, nur viel, viel kleiner. Mächtige Weiden wuchsen dort, und auf der Kuppe des steilen Hügels stand eine kleine Hütte. Sie ruderten langsam darauf zu.
»Wika! Wika! Dürfen wir dich besuchen?«, rief Rema laut.
Keine Antwort.
»Wika! Dürfen wir dich besuchen?«, rief er noch einmal.
Zwischen den Weiden tauchte ein breiter Schilfhut auf. Ein hageres Gesicht darunter musterte sie mit durchdringenden Blicken.
»Was schreist du so, Rema, Afars Sohn? Ich bin nicht taub.«
»Verzeih, Wika, diese Fremde will dich etwas fragen. Dürfen wir an Land?«
»Eine Fremde? Lass sehen, wer das ist.«
Maru schlug ihren Überwurf zurück. Sie waren jetzt nur noch zwei Armlängen vom Ufer entfernt.
»Unbekannt, aber nicht fremd«, murmelte die alte Frau. Dann sagte sie: »Worauf wartet ihr, steigt endlich aus.«
Sie vertäuten das Boot an einer Weide und sprangen an Land.
»Passt auf, wo ihr hintretet«, mahnte Wika.
Maru konnte am Boden nichts Besonderes erkennen. Es gab kein Beet und auch keine Pflanze, die besonders umhegt oder gepflegt aussah. Es war einfach halbwegs festes Land.
»Ihr Dummköpfe«, schimpfte die Alte, die das wohl anders sah: »Halmkraut und Blaublatt sind schwer zu finden.«
Nach wenigen Schritten standen sie auf einem schmalen Trampelpfad, an dessen Ende sie von Wika erwartet wurden. Sie war klein und hager und musste hundert Jahre alt sein – so kam sie Maru jedenfalls vor. Sie war ganz in Schilf gekleidet, und ihr graues Haar hing wirr unter ihrem breiten Hut hervor, aber ihre
Augen waren von klarem, stechendem Blau. Sie musterte Maru lang, murmelte leise ein paar Worte, die Maru kaum hörte und noch weniger verstand.
»Ich sehe, ich sehe«, sagte sie dann nickend, »aber wie ist dein Name, Kind?«
»Maru, ich meine, Maru Nehis werde ich genannt.«
»Seltsamer Name, fremder Name. Der zweite ist besser als der erste. Seltsam ist das«, sagte sie und starrte Maru lang an. Dann wandte sie sich mit bohrendem Blick Marus Begleiter zu und sagte: »Rema, mein Junge, willst du wohl einer alten Frau einen Gefallen tun? Willst du das?«
»Natürlich, Wika«, versicherte er eilig.
»Auf der anderen Seite meiner Insel, da wo der Pfad endet, da habe ich Angeln ausgelegt. Ein gutes Dutzend. Geh doch, und sieh nach, was ich gefangen habe. Machst du das? Und setze mir meinen Fang dann in die große Reuse. Aber sei vorsichtig, hörst du? Dass dir ja keiner auskommt oder eingeht! Kannst du das, Afars Sohn und Taiwes Enkel?«
Rema nickte und wollte schon loslaufen, aber Wika hielt ihn am Arm. »Und dann suchst du Würmer, hörst du? Auf die Haken mit ihnen und ausgeworfen. Kannst du das?«
»Aber ja, Wika«, sagte Rema. Maru sah ihm an, dass er sich vor dem durchdringenden Blick der Alten fürchtete.
»Und dann wartest du dort, bis wir beide dich
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