Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
abholen. Aber pass auf, pass gut auf, dass dich der Alte Vater nicht kriegt. Drüben auf der Sandbank liegt er und will an meine Fische und an alles andere, was zart genug für seine alten Kiefer ist.«
»Ich passe auf«, rief Rema und lief schnell davon.
»Ein guter Junge. Ganz der Vater. Und jetzt komm, Nehis.«
»Wo gehen wir hin?«, fragte Maru. Sie fühlte sich eingeschüchtert.
»Ich brauche einen Sud. Und du sicher auch, oder nicht, Nehis?«,
fragte Wika und stieg erstaunlich schnell den Hügel hinauf. Maru folgte ihr. Es regnete immer noch.
Die Hütte war klein und zwischen alte Weiden gezwängt. Wurzeln reichten bis an die Lehmwand und kamen, wie Maru bald feststellte, auch durch den Boden der Hütte.
»Die nassen Sachen, zieh sie aus. Mach nichts schmutzig, Nehis«, sagte die Alte, als sie eingetreten waren. Sie zog eine Handvoll Kräuter aus ihrer Tasche und warf sie auf den Tisch.
Maru zog den Überwurf aus und suchte einen Platz, um ihn aufzuhängen. Ihre Augen mussten sich noch an das Zwielicht in der Hütte gewöhnen. Viel Platz gab es nicht, und jeder Fingerbreit wurde genutzt. Zwischen den schmalen Fenstern hingen Kräuter an der Wand. Auf den Tischen standen Mörser, Töpfe, Krüge und anderes Geschirr. Dazwischen waren weitere Pflanzen ausgebreitet. Selbst auf dem unebenen Boden war kaum Platz. Schilfbündel standen dort neben Kerzen, Tiegel fanden sich neben Pfannen und weiteren, zum Trocknen ausgebreiteten Pflanzen.
»Vor die Tür, die Weiden passen darauf auf. Und nimm meinen gleich mit, dummes Kind«, sagte die Alte.
Gehorsam trat Maru vor die Tür und legte die beiden Schilfmäntel auf einen großen bemoosten Stein unter den Weiden, der vor dem Eingang aus dem Boden ragte. Kräuterfrauen waren seltsam. Das wusste sie noch aus ihrer Heimat. Man stellte sich am besten gut mit ihnen.
»Hier, trink das«, sagte die Alte und hielt ihr einen dampfenden Becher hin, als sie wieder in die Hütte zurückkehrte.
»Was ist das?«
»Kräutersud. Gut für den Geist.«
Maru nippte zögernd daran. Wer konnte wissen, was die Alte da zusammengebraut hatte?
»Und? Wie ist er?«
»Bitter«, antwortete Maru wahrheitsgemäß.
»So muss er sein, genau so muss er sein«, sagte Wika, in sich hinein lachend.
Dann räumte sie einige Tiegel und Töpfe von zwei Schemeln und stapelte sie auf dem Boden. »Setz dich, Kind, setz dich doch zu mir.«
Maru nahm Platz. Die Alte entzündete eine Kerze. Dann nahm sie den Schemel und rückte ihn nah heran, bevor sie sich darauf setzte und Maru lange ins Gesicht starrte. Sie roch nach Sauerampfer.
»Ich habe dich erwartet, Nehis«, sagte Wika schließlich.
»Erwartet?«, erwiderte Maru unsicher.
»Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich zu mir findest. Trink den Sud, bevor er kalt wird. Kalt wirkt er nicht.«
Maru nippte noch einmal an dem bitteren Gebräu. Das gab ihr Zeit nachzudenken.
»Spürst du es denn nicht?«, fragte Wika, und immer noch war ihr durchbohrender Blick auf Maru gerichtet.
»Was denn?«, fragte Maru verunsichert.
»Wir ziehen einander an. Wir von unserer Art, obwohl...« Wika schloss die Augen, ohne den Satz zu beenden. Maru studierte das feine Netz der Alterslinien, die sich in das Gesicht der Frau gegraben hatten. Wie alt mochte sie sein? Sie zuckte zusammen, als die Alte die Augen plötzlich wieder aufriss und sagte: »Aber vielleicht bist du gar nicht... sag, deine Eltern, wer waren sie?«
Maru dachte nach. Es erschien ihr sinnlos, die Lügengeschichten Tasils zu erzählen. »Ich weiß es nicht«, sagte sie, »meine Mutter ist früh gestorben, mein Vater verschwunden.«
Die Alte starrte ihr in die Augen. Es war unmöglich, dem Blick standzuhalten. »Du weißt noch etwas, Nehis, das kann ich riechen. Du hast doch keine Geheimnisse vor einer alten harmlosen Frau wie mir, oder?«
Maru schluckte. »Man hat mir gesagt«, begann sie und geriet ins Stottern, »also, es kann sein, dass mein Vater, dass mein Vater, so sagte man mir, ein Maghai...«
»Ha!«, rief Wika laut und schlug dabei mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Töpfe klapperten. Dann lachte sie laut und meckernd.
Maru wurde rot.
»Die Maghai!«, rief Wika, und es klang beinahe wie Jubel. »Narren sind sie, alle! Diese einfältigen Zauberer. Aber dass einer so weit gehen würde...« Dann wurde sie wieder ernst und brachte ihr Gesicht ganz nahe an das von Maru. »Und weißt du wer, nein, was frage ich, du weißt es nicht. Maghai-Tochter? Das ist seltsam,
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