Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
»sie lebt auf einer der Inseln. Nur mit dem Boot gelangt man zu ihr. Und du hast keines.« Er schien sich bei dem Gedanken an die Kräuterfrau unwohl zu fühlen.
»Aber du hast doch sicher eins, oder dein Vater?«
»Meine Familie hat eines. Mein Vater ist lange schon tot.«
»Das tut mir leid«, sagte Maru. Hier schienen viele Männer früh zu sterben. Rema war unschlüssig. Tasil hätte ihn jetzt wahrscheinlich bestochen. Das kam natürlich nicht in Frage. Sie beschloss, es auf ihre Weise zu versuchen.
»Bitte, Rema. Bring mich zu ihr. Vielleicht kann die Kräuterfrau uns beiden helfen.«
»Was meinst du?«
»Vielleicht weiß sie, wie man die Awa... die Große Schlange töten kann. Kräuterfrauen wissen so etwas. Vielleicht.«
Der Junge zögerte. »Meinst du wirklich?« Dann nickte er nachdenklich. »Normalerweise wären meine älteren Brüder jetzt mit unserem Boot auf dem Fluss, aber sie fischen seit Wochen nur noch vom Ufer aus. Alles andere wäre zu gefährlich. Ich kann meiner Mutter sagen, dass ich mit dir in einem der flachen Kanäle auf Flusskrebsfang gehe. Erlauben würde sie es sonst nie.«
»Wo liegt euer Boot?«
»In der Nordbucht.«
»Dann erwarte ich dich dort und – ich danke dir für deine Hilfe!«
Nachdem sie sich getrennt hatten, lief Maru zur Nordbucht. Sie hatte diese fast erreicht, als sie zufällig Tasil entdeckte, der sich vorsichtig von Hütte zu Hütte bewegte. Es wäre übertrieben gewesen zu sagen, dass er schlich, aber er schien darauf zu achten, sich möglichst ungesehen zu bewegen. Er hatte seinen Mantel übergeworfen, und der war ebenso grau wie der Regen und der ganze Tag. Er war Maru nur ins Auge gefallen, weil er gerade über eine große Pfütze sprang. Dann war er schon wieder mit dem Schatten der nächsten Hütte verschmolzen. Was hatte er vor? Nun, es gab einen Weg, das herauszufinden. Was das Schleichen anging, war Maru inzwischen mindestens genauso geschickt wie Tasil. Allerdings hatte sie ihren Überwurf in der Herberge gelassen. Er saugte sich nämlich so schnell mit Wasser voll, dass er gegen diesen dauernden Regen eigentlich nutzlos war. Sie drückte sich an ein Gatter und – Tasil war fort. Sie wartete einen Augenblick. Ein paar Ziegen kamen neugierig näher. Tasil tauchte wieder auf, schlenderte langsam zur nächsten Hütte und war wieder ihren Blicken entzogen. Auch das hatte sie von ihm gelernt: Wer sich langsam bewegte, fiel weniger auf. Sie tat es ihm gleich, schlug einen Haken, um aus seinem Blickfeld zu kommen, und huschte um die nächste Hütte. Wo steckte er? Dann sah sie ihn wieder. Er wollte offenbar auf die Südseite. Maru folgte ihm. Es war erstaunlich, wie unauffällig er sich verhielt. Er schlenderte einmal ganz dicht an einer Gruppe spielender Kinder vorüber, und die nahmen ihn nicht einmal wahr. Dann hatte er offensichtlich sein Ziel erreicht. Es war das Schreinhaus. Der Edaling war vom Dach verschwunden. Vermutlich saßen sie gerade drinnen und verschlangen das, was Rema für seine Schwester gebracht hatte. Tasil stieg die Treppe hoch, blickte sich oben noch einmal um, und dann schlüpfte er durch die Tür, ohne sich mit Anklopfen aufzuhalten. Maru wartete, aber drinnen blieb es ruhig. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, eine keifende Skeldiga zu hören, aber
nichts dergleichen geschah. Was wollte Tasil von den beiden? Für einen kurzen Augenblick dachte Maru daran, sich näher heranzuschleichen, um zu lauschen. Das konnte gefährlich werden, und es war ungewiss, ob sie überhaupt nahe genug herankam. Wenn sie allerdings Erfolg hätte… Sie zögerte. Tasil war nicht sehr erbaut gewesen, dass sie ihn in der vorigen Nacht belauscht hatte. Er hatte es den ganzen Tag noch nicht erwähnt, und Maru hatte keine Lust, ihn daran zu erinnern. Dann fiel ihr ihre Verabredung mit Rema ein. Das gab den Ausschlag. Tasil mochte seinen Plänen nachgehen, sie hatte ihre eigenen. Eilig lief sie zur nördlichen Bucht. Sie hatte die leise Hoffnung, dass sie Biredh dort noch antreffen würde. Aber er war fort und Rema noch nicht da. Nur der alte Wifis saß auf den Schilfbündeln und starrte hinaus auf den Fluss. Sie stellte sich bei einer der Hütten unter und wartete.
»Ich musste noch die Schweine füttern«, entschuldigte sich Rema, als er endlich kam. Dann reichte er ihr ein Bündel Stroh.
»Was ist das?«, fragte Maru.
»Gegen den Regen.«
Sie rollte es auf. Es war ein Überwurf, wie ihn die Einheimischen trugen. »Danke«, sagte sie und legte ihn
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