Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
Männern und Frauen damit beschäftigt, den Schrein, der beim Zusammenbruch des Hauses hinausgeschleudert worden war, sorgsam von Schlamm zu reinigen. Seine Frau saß auf der geborstenen Treppe ihres Hauses, einen leeren Topf auf den Knien, und starrte ausdruckslos
ins Nichts. Maru half einigen Frauen, in den Trümmern ihrer Hütten nach noch brauchbarem Hausrat zu suchen. Und sooft sie zum Schreinhaus sah, saß Skeldiga immer noch schweigend auf den Stufen, den leeren Topf fest umklammert.
Als die zweite Abendstunde gekommen war, befahl Alldhan Numur, das Festmahl zu Ehren von Utus Ankunft abzuhalten. Er hatte sich die ganze Zeit nicht sehen lassen, war weder erschienen, als die Toten aufgebahrt wurden, noch war er zu seinen Kriegern oder gar den Dorfbewohnern gekommen, die dem Tod noch einmal entronnen waren. Fakyn und die Ältesten Skeda und Taiwe hatten die Aufräumarbeiten geleitet, hatten dafür gesorgt, dass die gröbsten Trümmer beseitigt und die Überlebenden versorgt worden waren. Selbst Abeq Mahas und seine Priester hatten sich nützlich gemacht. Die Arbeiten kamen gut voran, so gut, wie es eben unter den Umständen möglich war. Niemand hatte nach dem Alldhan gefragt, niemand hatte ihn vermisst. Es war, als sei er gar nicht anwesend. Doch jetzt stand Numur, umgeben von seinen Leibwächtern, vor dem Samnath und verlangte nach dem Festmahl für den Neuen Gott.
»Aber Herr«, wandte Fakyn ein, »wir haben viele Tote zu beklagen, und viele Menschen hier haben alles verloren. Ist das wirklich die richtige Zeit für ein Fest?«
Der Alldhan musterte Fakyn kalt und erwiderte: »Schab Fakyn, wie klein ist dein Glaube? Siehst du nicht, welche Wunder Utu hier gewirkt hat? Du beklagst die Toten – aber wären es nicht zehnmal mehr, wenn Utu den Wassern nicht befohlen hätte innezuhalten? Er hat viele von uns gerettet. Verdient er da nicht unseren Dank?«
Abeq Mahas kam vom Ufer herauf. Sein Gewand war schlammbespritzt. »Utu ist ein mächtiger Gott«, pflichtete er dem Alldhan bei.
»Mächtig, das ist er!«, bekräftigte Numur: »Seht doch, ihr Awier. Ihr habt bislang nicht an ihn geglaubt, habt zu dem alten Gott Dhanis gebetet. Doch jetzt weint ihr um Männer, Frauen, Kinder und eure verlorenen Hütten. Wo war euer Gott, als ihr ihn brauchtet? Seht nur, sein Haus ist zerstört, sein Schrein liegt im Schlamm. Dhanis hat euch verlassen, Awier, aber Utu, der mein Vater war, ist bei euch. Erschienen zu eurer Rettung. Ehrt ihn!«
Es war der Wille des Alldhans. Also blieben die Toten unbestattet, und die Feuer, die entzündet worden waren, um die Not zu sehen und zu lindern, dienten nun als Lagerfeuer für die Braten, die zu Utus Ehren verzehrt werden sollten. Es war sehr still, als Awier, Kydhier und Akkesch inmitten der Zerstörung saßen und im strömenden Regen mehr der Toten als des neuen Gottes gedachten. Donner grollte, als Numur im Samnath das Mahl mit dem rituellen Opfer eröffnete. Er entzündete Öl in einer Schale und verbrannte Kräuter und den Schenkel eines Lamms. Bratenduft stieg auf, aber Maru hatte keinen Hunger. Sie saß zwischen Tasil und Vylkas, obwohl Bolox ihr auch einen Platz an seiner Seite angeboten hatte. Die Hocker und Schemel waren an den Längsseiten des Samnath aufgereiht worden, und die Speisen standen auf niedrigen Tischen bereit. Ihnen gegenüber hatten sich die Hakul niedergelassen. Der Mann, der sie am Zwinger gesehen hatte, saß neben Yaman Auryd. Sie waren nur noch zu viert. Zwei ihrer Stammesbrüder waren draußen aufgebahrt, eingehüllt in ihre schwarzen Mäntel, die Kriegsmasken auf dem Gesicht. Maru hatte gesehen, wie Tasil sie tot aus dem Wasser gezogen hatte. Die Hakul rührten die Speisen nicht an, und die Söldner warfen nur kleine Stücke Fleisch in die Opferfeuer.
»Was ist mit dir und deinen Männern, Yaman Auryd?«, fragte Numur. »Schlagen euch die Toten etwa auf den Magen? Ich habe gehört, dass die Hakul ein kriegerisches Volk seien. Ist das nicht
wahr? Es ist Krieg, ihr Männer, und Krieger fallen. So will es das Schicksal.«
»Nun, Alldhan«, erwiderte Auryd ruhig, »es ist wahr. Wir alle sind Krieger und oft unter dem Banner Strydhs geritten. Ich selbst sah schon viele Männer sterben und habe ihren Tod mit einem Mahl geehrt. Nun sind zwei meiner Männer tot, ertrunken, nicht erschlagen. Und wäre der Urather nicht gewesen, hätten wir ihre Leichen vielleicht nie gefunden. Nun können wir sie wenigstens nach unserem Brauch auf ihre letzte Reise
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