Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
des Immit, in ihren schönen Kleidern, dem prachtvollen Schmuck! Davon war nichts übrig. Dort kauerte eine verwilderte Elendsgestalt und bat um Hilfe. Und sie bat nicht sehr freundlich. Maru fühlte sich... überrumpelt!
»Worauf wartest du? Willst du die Wächter fragen, wenn sie zurückkommen?«
Maru riss sich zusammen. Eine Klinge. Das dürfte nicht so schwer sein. Sie sah sich um. Unweit des Zwingers lag eine verendete Echse. Man hatte ihr den Kopf abgehackt und auf eine Lanze gespießt. Sie lief geduckt hin, zog den Speer aus der Erde und schlich schnell zurück.
»Geht auch ein Speer?«
»Wenn du den Kopf entfernst, bestimmt, dummes Kind.«
Maru wurde rot. Eigentlich hatte die Frau kein Recht, so mit ihr umzuspringen. Sie war schließlich hier, um ihr zu helfen. Sie streifte den Kopf von der Lanzenspitze ab und warf ihn angewidert zur Seite.
»Brich die Spitze ab, Mädchen, schnell.«
Maru nickte. Sie legte den Speer auf den Boden, stellte einen Fuß auf die Spitze und hob den Schaft an. Aber er brach nicht.
»Nicht so. Zwischen den Stäben hier«, sagte Umati ungeduldig.
Maru versuchte es. Es gab ein splitterndes Geräusch.
»Jetzt wirf den Schaft weg, aber warte«, rief die Frau, als Maru schon fast weg war.
»Was?«, fragte Maru.
Das Gesicht Umatis erschien zwischen den Gitterstäben. »Ich danke dir, Mädchen. Das war tapfer von dir.«
Maru lächelte schüchtern. »Du hast mir auch geholfen, damals.«
Umati lachte leise. »So ist es, und es ist gut, dass du das nicht vergessen hast. Aber jetzt geh. Oder hat man dir nicht gesagt, dass ich gefährlich bin?« Bei diesen Worten lachte sie leise und zog das schwere Tuch wieder zu.
Maru hätte gerne noch etwas gesagt, aber es fiel ihr nichts Kluges ein. »Viel Glück«, hauchte sie schließlich und war unsicher, ob Umati das hörte. Dann lief sie geduckt davon. Sie hatte ihr geholfen, einer Gefangenen Numurs. Das war doch gut. Warum hatte sie jetzt nur kein gutes Gefühl? Sie bog um die Ecke des Samnath und – prallte mit einem Hakul zusammen. Er packte sie am Arm und hielt sie fest.
»Was tust du hier?«, herrschte er sie an.
»Gar nichts«, rief Maru und versuchte sich loszureißen.
»Du warst an dem Käfig dort, Uratherin. Was hast du da gemacht?«
»Nichts, gar nichts. Geh doch hin, und sieh nach, Krieger. Und lass mich los!«
Der Mann ließ sie ohne Vorwarnung los. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.
»Vielleicht sehe ich wirklich nach, später. Und jetzt verschwinde!«, sagte der Krieger düster.
Maru rappelte sich auf und lief davon. Der Hakul hatte sie beobachtet. Das war schlecht, das war sehr schlecht. Maru lief hinunter zum Ufer. Es kam darauf an, was der Mann gesehen hatte. Wie
lange mochte er da gestanden haben? Hatte er nur ein neugieriges Mädchen an einem verbotenen Ort gesehen, oder hatte er die Sache mit dem Speer beobachtet? Sie schüttelte den Gedanken ab. Geschehen ist geschehen. Sie konnte es jetzt doch nicht mehr ändern. Sie lief weiter. Sie wollte sich endlich nützlich machen, helfen, vielleicht würde das die finsteren Gedanken vertreiben. Am Ufer war das Entsetzen über die Verheerung immer noch fast mit Händen zu greifen. Die Awier beklagten ihre Toten und versuchten gleichzeitig, den Lebenden zu helfen. Maru konnte sehen, wie schwer ihnen jeder Schritt fiel. Dann traf sie Rema. Sie war froh, ihn zu sehen, und sie hatte das Gefühl, dass er sich auch freute. Aber die Trauer lag schwer auf seinem Gemüt. »Meine Tante Igadhe ist verschwunden, mit ihrem kleinen Sohn«, sagte er. »Die Männer suchen nach ihr, aber es ist nur noch wenig Hoffnung.«
»Das tut mir leid«, sagte Maru, die viel mehr nicht zu sagen wusste. Dann fragte sie: »Wie geht es deiner Schwester Lathe? War sie nicht im Schreinhaus, als das Unglück geschah?«
Das Schreinhaus, oder das, was davon übrig war, stand ganz in der Nähe. Einige Männer machten sich daran zu schaffen. Maru verstand allerdings nicht, was sie da vorhatten.
»Lathe lebt und ist unverletzt, wofür ich den Hütern heute noch ein Dankopfer bringen muss«, sagte Rema. »Jetzt ist sie bei unserer Mutter, auf der anderen Seite der Insel.«
Und dann ließ er sie stehen, weil jemand nach ihm rief, der offenbar seine Hilfe brauchte. Maru sah ihm nach. Er sah traurig aus. Und die Last der Schuld, die sie verdrängt hatte, kam zurück. Sie seufzte und blickte sich um. Sie wollte sehen, wo sie gebraucht wurde. Sie entdeckte den Edaling. Er war mit einigen
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