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Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte

Titel: Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Stadt aufgegeben, weil eine andere
Stadt dreihundert Sack Gerste geliefert hat?«, fragte Maru mit mildem Spott.
    Temu funkelte sie wütend an. Er war ein ernster junger Mann, der Spott nicht verdient hatte, dem aber andererseits ein wenig mehr Heiterkeit nicht geschadet hätte. Er war zu ernst und wirkte viel älter, als er war. Jetzt schüttelte er traurig den Kopf und ließ das Täfelchen fallen. Es zerschellte auf dem steinernen Boden. »Du hast recht, Mädchen. Niemand will noch wissen, was einst geschah«, seufzte er. »Oder wenn, dann reden sie über die Taten der Herren, nicht über Gerste und Korn.«
    »Ich könnte dir helfen, hier aufzuräumen«, bot Maru an.
    »Ach, lass nur. Es wird bald Tag, und ich glaube, ich sollte doch noch ein wenig schlafen. Aber hier liegt noch so viel Arbeit.« Der Schreiber seufzte und breitete in einer Geste der Verzweiflung die dünnen Arme aus.
    Maru schrak auf. Tatsächlich, durch die schmalen Fensterschlitze drangen die ersten Vorboten der Dämmerung in das Bet Schefir.
    »Schon so spät?«, rief sie. »Dann muss ich fort, auch wenn ich dich wirklich nicht gern in dem Scherbenhaufen zurücklasse, den ich angerichtet habe.«
    »Ach, es war nicht deine Schuld, nicht nur, jedenfalls. Und du kannst nicht lesen. Also wärst du mir ohnehin keine große Hilfe.«
    Er meinte das nicht böse, das wusste Maru, ihm fehlte nur manchmal einfach das Gespür dafür, was Menschen als kränkend empfinden konnten. Und er hatte recht, sie konnte nicht lesen, ein Umstand, den sie mehr und mehr verfluchte. Temu war hilfsbereit, das konnte sie nicht anders sagen, aber er war so langsam und so leicht abzulenken. Jede Tontafel, die er in die Hand nahm, erzählte ihm eine Geschichte, die er sofort begeistert weitergeben musste, auch wenn sie niemand hören wollte. Soweit sie das beurteilen konnte, war sie ohnehin die Einzige, die ihm zuhörte. Ja, sie
war überhaupt der einzige Mensch, der noch ins Bet Schefir kam. Sie strich den Staub von ihrem Gewand. »Denkst du an das, worum ich dich gebeten habe?«, fragte sie.
    Temu sah sie an. Er war mit seinen Gedanken gerade wieder weit fort, vermutlich in der Stadt Aqit und in dem Tempel, in dem ein vergessener Stadthalter der Erntegöttin eine Statue weihte. Er blickte sie zerstreut an, dann nickte er. »Ja, natürlich. Ich habe es nicht vergessen. Aber du weißt nicht zufällig noch eine Jahreszahl, oder einen weiteren Namen? Das würde es mir ein wenig leichter machen.«
    »Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß, Temu. Es ist auf dem Großen Marsch geschehen. Es wird doch immer wieder erzählt. Ich habe die Geschichte selbst hier in der Stadt schon mehr als einmal gehört. Und du weißt, dass ich dir keinen Namen sagen kann.« So war es wirklich. Sie konnte nicht über Utukku sprechen, nicht einmal seinen Namen nennen. Der Daimon musste sie mit einem Bann belegt haben. Nur unter großer Mühe war es ihr überhaupt gelungen, dem Schreiber begreiflich zu machen, was sie suchte: Wissen über den Daimon, den der legendäre Etellu-Kaidhan vor über hundert Jahren besiegt und seiner Macht beraubt hatte.
    »Ja, der Marsch, natürlich, Etellu der Große, das sagtest du. Aber dort wurde kaum etwas aufgeschrieben. Ich habe das Jahr durch. Keine Listen.«
    »Aber alle reden doch darüber.«
    »Mündliche Überlieferung«, meinte Temu mit einem Kopfschütteln. »Sehr unzuverlässig. Ich muss jetzt vielleicht alle Berichte Etellus durchgehen. Ein bewundernswerter Mann. Wortreich und zeichenmächtig. Er hat viel hinterlassen.«
    Maru seufzte. Genau das war die Schwierigkeit. Dieses Bet Schefir drohte an Ernte-, Geburts- und Sterbelisten zu ersticken. Nur die wirklich wichtigen Sachen, die waren nicht zu finden. »Er hat einen Daimon gebannt«, sagte sie, wie schon so oft. »Gibt es
denn keine Liste über Etellus Heldentaten? Dort müsste doch so etwas verzeichnet sein.«
    »Oh, seine Heldentaten sind zahlreich. Und natürlich gibt es Listen, lange Listen, denn er war ein großer Herrscher, der erste Kaidhan in Ulbai. Aber was diesen Daimon betrifft, da ist er seltsam ungenau. Mehr als diese zwei oder drei Sätze habe ich nicht gefunden.«
    Maru starrte den Schreiber an. »Welche Sätze?«
    »Habe ich das nicht erwähnt? Ich habe die Tafel doch eigens für dich zur Seite gelegt. Wo ist sie nur?«
    Temu schlurfte durch den Gang zu einem Tisch, der sich unter der Last vieler Tontafeln bog. Das war sein bevorzugter Arbeitsplatz, und er stand im hintersten Winkel des

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