Die Tochter des Magiers
ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Ihm war
schrecklich heiß. Das verblichene Tuch, das er sich um den Kopf
gebunden hatte, war schon ganz durchgeschwitzt. Außerdem hatte er
keinen blassen Schimmer von Autos und sah nicht ein, warum er sich
dafür interessieren sollte, zumal es noch Jahre dauern würde, bis er
selbst fahren durfte. Mouse ging ihm mit seinem pingeligen Getue
richtig auf die Nerven. »Klingt doch ganz okay.«
Mouse öffnete blinzelnd die Augen. Sein rundes Gesicht, die
Hände und sein weißes T-Shirt waren voller Schmieröl. Offensichtlich
fühlte er sich wie im Paradies.
»Noch nicht«, erwiderte er und schloß wieder die Augen. Er
regulierte den Motor so behutsam und sanft, als habe er ein lebendiges
Wesen vor sich.
Der knapp zwanzigjährige Mouse war in einem staatlichen
Waisenhaus aufgewachsen, wo die anderen Kinder ihn wegen seiner Größe
und seiner schwerfälligen Art verspottet hatten. Er traute so gut wie
niemandem und mochte die meisten Leute nicht, aber Luke gefiel ihm
irgendwie, und er hatte nichts gegen seine Gesellschaft einzuwenden.
»Braves Baby«, lächelte er, denn für Mouse gab es nichts
Faszinierenderes oder Verführerisches auf der Welt als Motoren.
»Herrje, ist doch bloß ein blöder Laster«, stöhnte Luke und
mußte ebenfalls grinsen. »Du bist doch schon längst fertig!«
»Jetzt ja.« Mouse schloß die Motorhaube, ging zur Wagentür und
zog den Schlüssel aus dem Zündschloß, den er sorgsam in seine Tasche
steckte. Er würde nie vergessen, wie stolz er gewesen war, als Max ihm
zum erstenmal die Schlüssel anvertraut hatte. »Wird prima laufen heute
nacht, wenn wir nach Manchester aufbrechen.«
»Wie lange bleiben wir da?«
»Drei Tage.« Mouse zog ein Päckchen Zigaretten aus dem
Hemdsärmel, schüttelte es kurz und nahm sich selbst eine heraus, ehe er
das Päckchen Luke hinhielt. »Alles aufladen ist viel Arbeit heute
abend.«
Luke bediente sich so lässig wie möglich und wartete, daß
Mouse ihm Feuer gab. »Wie kommt's, daß jemand wie Mr. Nouvelle auf so
einem billigen Jahrmarkt ist?«
»Hat seine Gründe.« Mouse zündete seine Zigarette an und hielt
Luke das Streichholz hin. Dann lehnte er sich gegen den Laster und
begann von der langen ruhigen Fahrt zu träumen.
Luke nahm einen Zug und versuchte, zu inhalieren. Obwohl er
sich mit aller Kraft dagegen wehrte, mußte er derart husten, daß ihm
die Tränen in die Augen schossen.
»Nicht die übliche Marke.« Seine Stimme klang wie ein dünnes
Quieken. Er bemühte sich um eine lässige Miene und nahm entschlossen
den nächsten Zug. Diesmal schluckte er den Rauch, würgte und kämpfte
gegen den Drang, sein Mittagessen wieder von sich zu geben. Der Schweiß
brach ihm aus, er hatte das Gefühl, als steige ihm der Magen bis in die
Kehle.
»Mensch, Junge.« Bestürzt sah Mouse, daß Luke ganz grün im
Gesicht war. Er schlug ihm wohlwollend auf den Rücken. Zu seinem
Schreck fiel Luke auf die Knie und übergab sich. Mouse strich ihm mit
seiner ölverschmierten Hand über den Kopf. »Heiliger Strohsack. Bist du
krank oder was?«
»Gibt es ein Problem?« erkundigte sich Max, der eben
herübergeschlendert kam, gefolgt von Lily, die sich gleich neben Luke
kauerte.
»Ach, du armer Junge. Bleib einfach so, bis es vorbei ist.«
Sie entdeckte die brennende Zigarette in Lukes Hand und schüttelte den
Kopf. »Wie um alles in der Welt kommt das Kind zu diesem gräßlichen
Ding?«
»Meine Schuld.« Mouse senkte betrübt den Blick. »Ich hab nicht
nachgedacht und ihm eine Zigarette gegeben. War mein Fehler.«
»Er hätte sie ja nicht nehmen müssen«, erwiderte Max. »Nun muß
er für seinen Leichtsinn büßen. Noch eine Gratislektion: Nimm nichts
an, womit du nicht fertig wirst.«
»Ach, laß das Kind doch in Ruhe.« Mütterlich drückte Lily
Lukes feuchtkaltes Gesicht an ihre Brust. »Nur weil du nie einen
einzigen Tag in deinem Leben krank gewesenbist,
brauchst du nicht so herzlos zu sein.«
»Schon gut«, nickte Max mit einem verstohlenen Lächeln. »Mouse
und ich überlassen ihn deiner Fürsorge.«
»Wir kriegen dich schon wieder hin«, flüsterte sie. »Du kommst
am besten mit mir, Schatz. Stütz dich ruhig auf mich.«
»Ich bin okay.« Aber als er sich hochrappelte, drehte sich
alles um ihn, und sein Magen rebellierte erneut. Vor Übelkeit empfand
er nicht einmal mehr Verlegenheit, als Lily ihn zum Wohnwagen führte,
wobei sie ihn fast tragen mußte.
»Mach dir keine Sorgen, Schatz. Du mußt dich nur
Weitere Kostenlose Bücher