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Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Gesichtsausdruck sah sie deutlich, daß er erwartet hatte, sie
würde zuschlagen.
    Als sie ihm statt dessen liebevoll durchs Haar strich, schaute
er sie völlig verwirrt an. Noch nie hatte ihn jemand so berührt. Seine
Kehle war wie zugeschnürt, und er brachte kein Wort heraus.
    »Du mußt keine Angst haben«, sagte sie ruhig. »Ich tue dir
nichts. Niemals.« Sie hätte ihn gern an sich gezogen, aber das war noch
zu früh. Er konnte ja nicht wissen, daß er ihr jetzt wie ein Sohn war.
Und Lily Bates beschützte jeden, der zu ihr gehörte. »Wenn du irgendwas
brauchst«, sagte sie, »kommst du zu mir. Einverstanden?«
    Er konnte nur nicken. Seine Kehle war ganz trocken, und seine
Brust wurde immer enger. Da er merkte, daß er gefährlich nahe daran war
loszuheulen, stand er hastig auf und rannte nach draußen.
    Dreierlei hatte er an diesem Tag gelernt, und er würde diese
Dinge nie mehr vergessen. Erstens würde er nie wieder eine Zigarette
ohne Filter rauchen. Zweitens verabscheute er diese kleine Rotznase
Roxanne. Und drittens – was am wichtigsten war –
hatte er sich in Lily Bates verliebt.

DRITTES
KAPITEL
    E s wurde immer heißer, je weiter sie auf
ihrer Fahrt nach Süden kamen. Von Portland ging es nach Manchester,
anschließend nach Albany und dann nach Poughkeepsie, wo es zwei Tage
lang in Strömen regnete. Nach Wilkes-Barre machten sie in Allentown
Station, wo Roxanne ständig mit Zwillingsschwestern namens Tessie und
Trudie zusammenhockte. Als sie sich zwei Tage später unter Tränen und
heiligen Schwüren ewiger Freundschaft trennten, bekam sie zum erstenmal
die Nachteile des fahrenden Lebens zu spüren.
    Sie schmollte eine Woche lang und machte Luke mit dem endlosen
Gerede über ihre verlorenen Freundinnen beinahe wahnsinnig. Er ging ihr
möglichst aus dem Weg, was jedoch schwierig war, da sie sozusagen unter
dem gleichen Dach lebten.
    Er schlief mit Mouse im Lastwagen, aber die Mahlzeiten nahmen
alle gemeinsam ein. Und mehr als einmal lauerte sie ihm auf, wenn er
aus dem Badezimmer kam.
    Dabei mochte sie ihn immer noch nicht besonders, im Gegenteil.
Sie hatte aufgrund einer ganz natürlichen Rivalität eine tiefe
Abneigung gegen ihn. Doch seit ihrer Erfahrung mit Tessie und Trudie
sehnte sich Roxanne nach gleichaltrigen Freunden.
    Und wenn es bloß ein Junge war.
    Sie tat, was kleine Schwestern seit ewigen Zeiten bei ihren
großen Brüdern tun – sie machte ihm das Leben zur Hölle. Von
Hagerstown ging es nach Winchester, von dort aus nach Roanoke, dann
weiter nach Winston-Salem, und die ganze Zeit trottete sie hinter ihm
her und ging ihm endlos auf die Nerven. Wenn Lily nicht gewesen wäre,
hätte Luke sich vielleicht handgreiflich gewehrt. Aber aus Gründen, die
er wahrhaftig nicht begreifen konnte, war Lily total vernarrt in diese
kleine Göre.
    Das zeigte sich ganz deutlich während einer Probe in
Winston-Salem.
    Roxanne verpatzt dauernd ihren Einsatz, dachte Luke
schadenfroh. Diese dumme Pute kriegt einfach nichts richtig hin. Und
eine Jammerliese ist sie obendrein auch noch. Eine leise Hoffnung stieg
in ihm auf. Er beherrschte den Trick viel besser als sie. Wenn Max ihm
nur ein bißchen mehr beibringen und ihm eine Chance geben würde. Luke
hatte bereits einige Gesten und Bewegungen vor dem winzigen
Badezimmerspiegel geübt.
    Diese blöde Rox müßte bloß eine unheilbare Krankheit bekommen
oder einen netten kleinen Unfall haben, dann könnte er problemlos ihren
Platz übernehmen.
    »Roxanne«, sagte Max ungeduldig. »Du paßt nicht auf.«
    »Mache ich doch.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie
haßte es, in diesem elenden heißen Zelt eingesperrt zu sein.
    Lily kam auf die Bühne. »Vielleicht sollten wir ihr eine Pause
gönnen.«
    »Bitte, Lily.« Max hatte Mühe, ruhig zu bleiben.
    »Ich bin es leid, immer zu proben«, jammerte Roxanne. »Ich
haben den Wohnwagen satt und die Show und alles. Ich will zurück nach
Allentown zu Tessie und Trudie.«
    »Das ist nun aber leider nicht möglich.« Ihre Worte hatten Max
mehr getroffen als er sich eingestehen wollte, da er oft unsicher war,
ob er seiner Tochter dieses unstete Leben zumuten durfte. »Wenn du
nicht auftreten willst, dann ist das deine freie Entscheidung. Aber
wenn ich mich nicht auf dich verlassen kann, muß ich dich durch jemand
anderen ersetzen.«
    »Max!« rief Lily erschrocken.
    »Als meine Tochter kannst du dir so viele Wutanfälle leisten
wie du möchtest. Aber als meine Partnerin hast du zu proben, wenn
Proben angesetzt

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