Die Tochter des Münzmeisters
müssen wir los. Der Wagen kommt nicht so schnell voran, und die Dämmerung bricht bald herein. Es hat auch schon fast aufgehört zu bluten«, widersprach Randolf.
Henrika ließ sich von ihrem Entschluss nicht abbringen. »Die anderen können vorausreiten und den Wagen begleiten, wir holen sie gewiss schnell ein«, beharrte sie eigensinnig.
»Ich finde den Vorschlag gar nicht schlecht. Sobald sie deine Wunde versorgt hat, könnt ihr uns folgen«, mischte Brun sich ein und schwang sich nach einem merkwürdigen Blick auf seine Nichte in den Sattel. »Wir lassen dir eines der Pferde hier«, sagte er noch.
Ehe Henrika ihm antworten konnte, hatte sich die kleine Gruppe in Bewegung gesetzt. Goswin befand sich mit seiner Familie auf dem Wagen, den einer von Randolfs Männern lenkte. Zwei der Begleiter hatten den Kampf nicht überlebt und lagen, zusammen mit dem vierten der Gruppe, ebenfalls unter mehreren Decken auf dem Wagen. Sie sollten auf dem kleinen Friedhof dicht bei der Kapelle, die sich auf Randolfs Grundstück befand, ihre letzte Ruhestätte finden. Brun begleitete gemeinsam mit einem von Randolfs Männern zu Pferd das schwere Fuhrwerk. Die Reise nach Gut Liestmunde würde länger dauern als sonst, denn das Pferd hatte schwer zu ziehen. Die aus dem Stall geretteten Tiere hatten sie mit Stricken am Wagen festgebunden.
»Was hat er damit gemeint? Ich reite doch mit Leiba«, fragte Henrika verwirrt.
Randolf machte eine leichte Kopfbewegung in Richtung des abgebrannten Tores, und Henrika folgte seinem Blick mit ungutem Gefühl. Der Weg zu der Stelle, wo dertote Körper ihrer Stute lag, fiel ihr unglaublich schwer. Langsam ließ sie sich neben dem Tier nieder, an dessen Hals eine klaffende Wunde prangte, und legte die Hand auf den noch warmen Körper. Die Augen des Pferdes standen weit offen, und Henrika dachte an den Tag vor vielen Jahren, an dem sie das Fohlen von ihrem Onkel als Geschenk erhalten hatte. Sie hatte ihm fest versprochen, gut für die Stute zu sorgen. Als sie Randolfs Hand auf ihrer Schulter spürte, schrak sie zusammen.
»Beim Kampf hat sie eine Schwertklinge getroffen, der ich ausgewichen bin. Sie hat noch gelebt, als ich sie fand, und ich habe ihr das Sterben erleichtert.«
Henrika hob den Kopf, starrte das lange Messer an, das in einer schmalen Ledertasche an Randolfs Gürtel befestigt war, und schluckte. »Besser das Pferd, als wenn Ihr dort liegen würdet«, erwiderte sie leise und ließ sich von ihm aufhelfen. »Und jetzt kümmere ich mich um Eure Wunde«, fuhr sie fort und wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen.
Mit einem Mal wurde sie sich der Stille bewusst, die sie beide umfing, denn auch das Knistern der letzten schwelenden Feuerstellen war kaum noch zu hören. Unbewusst hob sie den Kopf, und im nächsten Augenblick verfing sich ihr Blick in den Tiefen von Randolfs warmen braunen Augen. Das letzte Knacken eines sterbenden Balkens riss sie aus der Verzauberung.
Randolf räusperte sich. »Dann sollte ich wohl jetzt die Hosen runterlassen«, meinte er trocken und machte sich an seinem Gürtel zu schaffen.
Henrikas Gesicht überzog sich schlagartig mit einer flammenden Röte, und sie drehte sich schnell weg. Als sie sich auf seine Aufforderung hin wieder umwandte, lag ein Hosenbein auf der Erde, während das andere sich um seinen Stiefel wickelte. Seine Kotte endete kurzvor den Knien und gab die Verletzung am Oberschenkel frei, die zum Glück nicht besonders tief war. Während Henrika sich darauf konzentrierte, die Verletzung zu verbinden, versuchte sie ihn dabei möglichst wenig zu berühren.
»Wer war der Mann?«
Randolf schien sofort zu wissen, wen sie meinte, denn er antwortete mit rauer Stimme: »Der Mörder Eures Großvaters. Ich habe ihn so viele Jahre vergeblich gesucht, dass ich fast schon an seinen Tod geglaubt habe, den Dietbert von Hanenstein uns so vehement versichert hat. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, ihm hier zu begegnen. Fast wäre ich wieder zu spät gekommen, aber zum Glück konnte ich endlich meinen Schwur von damals nach dem Überfall erfüllen.«
Henrika riss das Ende des Stoffstreifens ein und knotete es vorsichtig zusammen. Randolfs Antwort überraschte sie nicht, denn sie hatte den unglaublichen Hass in seinem Blick gesehen, als er zum entscheidenden Schlag ausgeholt hatte.
»Dann werdet Ihr jetzt also Dietbert von Hanenstein jagen?«, fragte sie tonlos, nachdem sie ihre Arbeit beendet hatte.
Randolf schüttelte den Kopf. »Nein, erst
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