Die Tochter des Münzmeisters
sie ihre Gedanken laut aussprach. »Aber auch wenn es mir das Herz bricht, es darf nie wieder so weit kommen. Wir würden beide nicht glücklich werden, das weißt du so gut wie ich.«
Randolf hob den Kopf, und der offensichtliche Schmerz in seinem Antlitz reichte ihr als Antwort. Vom Kampf gezeichnet, ruhte sein Blick noch eine ganze Weile auf ihrem Gesicht, das ebenfalls keinen erfreulichen Anblick bot. Dann erst ließ er sie zögernd los und trat zur Seite, damit sie aufsitzen konnte.
»Hast du einen Moment Zeit für mich, Liebes?«
Henrika nickte und bat Mathilda, neben ihr Platz zu nehmen. Die Frau ihres Onkels sah unglaublich erschöpft aus, denn sie hatte sich kaum eine Minute Schlaf gegönnt, solange ihr Gemahl noch um sein Leben gekämpft hatte. Liebevoll legte Henrika ihre Rechte auf die schwielige, raue Hand Mathildas. Just in dem Augenblick fiel ihr ein, dass zu den Sorgen um das Leben Goswins auch noch die Sorge um Gunhild kam, von der sie immer noch nichts gehört hatten.
Mit einem dankbaren Lächeln strich Mathilda ihrerNichte über die Wange und holte dann tief Luft. »Ich möchte dir etwas sagen, was deinem Onkel und mir sehr wichtig ist. Jetzt, da du alles über deine Mutter und Esiko herausgefunden hast, ist dir sicher auch schon aufgefallen, dass unser Sohn den gleichen Namen trägt.« Nach einem zögernden Nicken Henrikas redete sie weiter. »Ich habe Esiko, ich meine deinen Vater, vor Goswin gekannt. Ihm haben wir es zu verdanken, dass dein Onkel mich überhaupt kennengelernt und später aus einer unerträglichen Situation befreit hat. Den Namen haben wir unserem Jungen aus tiefer Dankbarkeit gegeben. Damals lebte ich in einer kleinen Siedlung unterhalb von Burg Hanenstein. Der Name sagt dir sicher etwas. Esiko kam als Bote des Vogts der Goslarer Pfalz zu dem Herrn der Burg, und ich bin ihm auf dem Hinweg begegnet. Ich habe ihn danach übrigens nicht wiedergesehen, dafür habe ich einige Wochen später deinen Onkel kennengelernt. Wenn du möchtest, erzähle ich dir, was damals geschah.«
Wieder nickte Henrika, dieses Mal in gespannter Erwartung.
Esiko öffnete widerstrebend die Augen. Es war fast dunkel um ihn herum, und er fragte sich, ob er vielleicht doch bereits gestorben war. Aber als er den heftigen Kopfschmerz verspürte, war ihm klar, dass er Azzos Schläge überlebt hatte. Stöhnend versuchte er sich aufzurichten, aber seine Glieder rebellierten gegen die Bewegung, daher ließ er sich wieder in den Dreck fallen und schloss erneut die Augen. Eine ganze Weile später merkte er, wie jemand mit einem kalten Tuch über seine rechte Gesichtshälfte fuhr, denn die andere Seite lag noch immer auf dem erdigen Boden.
»Komm, versuch dich umzudrehen, ich helfe dir dabei.«
Esiko bemühte sich, der Aufforderung nachzukommen, und nach einer Weile gelang es ihm auch. Die Frauenstimme war ihm unbekannt, und so öffnete er zum zweiten Mal die Augen. Die Dunkelheit, die ihn vorher umfangen hatte, kam wohl eher von dem matschigen Boden, auf dem er lag. Gleichwohl die Dämmerung bereits hereingebrochen war, erkannte er die schwangere, junge Frau wieder, die ihm vor mehreren Stunden schon einmal begegnet war.
»Wo bin ich?«, murmelte er und verzog schmerzhaft das Gesicht, als er versuchte auf die Beine zu kommen, wobei er sich auf dem Ellbogen abstützte. Voller Ekel spie er Blut und befühlte dann vorsichtig mit der Zunge einen wackelnden Zahn.
»Im Burggraben. Sie haben dich am frühen Abend hierher gebracht und dein Pferd an den Baum dahinten gebunden. Ich habe mich erst bei Anbruch der Dämmerung getraut, nach dir zu sehen. Komm, versuch einen Schluck zu trinken.«
Jetzt erst merkte Esiko, wie durstig er war, und trank gierig das frische Wasser aus der Holzkelle, die sie ihm reichte. Allerdings lehnte sich sein geschundener Körper sofort gegen die hastige Bewegung auf, und er sank stöhnend zurück. Dankbar fühlte er, wie die Frau fortfuhr, ihm das Gesicht zu waschen.
»Es ist bald völlig finster. Die vielen Wolken verdunkeln den Mond, und du wirst den Weg bestimmt nicht finden. Wenn du möchtest, kannst du in meiner Hütte schlafen und morgen in aller Frühe aufbrechen.«
Esiko betrachtete die Fremde aufmerksam. Sie war ungefähr in seinem Alter, hatte ein schmales Gesicht und schön geschwungene Lippen. Die Farbe ihrer Augen konnte er nicht mehr richtig sehen, aber die wundervollen rötlichen Haare waren ihm noch von der ersten Begegnung präsent. »Was sagt denn dein Mann dazu, wenn
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