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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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Vater. Sie hoffte, dass ihre Großmutter noch nicht schlief, denn Edgitha freute sich immer über Henrikas Besuche, und seit deren Rückkehr hatte sich ihr Gesundheitszustand deutlich gebessert. Betlindis wollte früh zu Bett, da ihr Gemahl wieder einmal auf sich warten ließ, fühlte sie sich auf einmal fremd in Goslar und litt unter plötzlich auftretenden Kopfschmerzen.
    Da die ersten beiden Wochen des Aprils fast vorüber waren, setzte die Dämmerung nicht mehr ganz so früh ein. Zügig gelangte Henrika zum Haus ihres Vaters, und nachdem Albrun sie eingelassen hatte, ging sie auf direktem Weg in seine Werkstatt, wo sie ihn wie immer um diese Zeit noch vorzufinden glaubte. Statt des Münzmeisters saß lediglich ein blonder Mann von ungefähr zwanzig Jahren auf einer der langen Holzbänke und arbeitete so konzentriert, dass er noch nicht einmal ihr Eintreten bemerkte.
    Henrika schloss leise die Tür und sah ihm interessiert dabei zu, wie er die scharfen Kanten eines Schrötlings mit einem hölzernen Schlegel glättete. In der linken Hand hatte er eine Fasszange, mit der er den gegossenen Metallklumpen festhielt, während er mit der rechten die Ränder bearbeitete, indem er mit Hilfe eines großen Holzhammers gleichmäßig zuschlug. Henrika, die in ihrer Kindheit viel Zeit in der Werkstatt verbracht hatte, kannte jeden Vorgang genau und sah mit einem Blick, dass der Mann sehr sorgfältig und genau arbeitete. Gleichzeitig bot sein Äußeres ein ansprechendes Bild und weckte ihre Neugier, zumal sie vermutete, dass es sich bei dem Arbeiter um den Mann handelte, von demihr Vater gesprochen hatte. Seine weizenblonden Haare glichen ihrer eigenen Haarfarbe und waren kurz geschnitten. Das leicht eckige Gesicht war bartfrei, und an der ihr zugewandten Wange zog sich vom Haaransatz bis kurz vor den Mundwinkel eine feine Narbe, die zwar gut verheilt war, aber nicht wirklich alt erschien. Obwohl er mit leicht vorgebeugtem Oberkörper rittlings auf der Bank saß, war seine hochgewachsene Gestalt zu erkennen. Da es in der Werkstatt meistens sehr warm war, trug der Arbeiter einen ärmellosen grauen Kittel, und bei jedem Schlag spannten sich seine Muskeln am Oberarm.
    Vielleicht spürte der Mann, dass er beobachtet wurde, denn auf einmal hielt er inne und sah direkt in Henrikas Richtung, die peinlich berührt den Blick erwiderte. Ohne Hast legte er die Werkzeuge aus der Hand und erhob sich. Allerdings blieb er vor der Bank stehen und trat nicht näher, sondern verbeugte sich an Ort und Stelle.
    »Sucht Ihr den Herrn Münzmeister, edles Fräulein?«, fragte er mit tiefer, angenehmer Stimme.
    Henrika räusperte sich und nickte hastig, um ihre Verlegenheit zu verbergen. »Weißt du, wo er sich aufhält?«
    In dem Moment öffnete sich die Werkstatttür, und der Münzmeister trat ein. Verdutzt musterte er seine Tochter, während er den Raum wieder hinter sich verschloss. »Henrika, was führt dich zu dieser späten Stunde noch hierher?«
    Die junge Frau war dankbar über das Eintreffen ihres Vaters und lächelte erleichtert. »Eine Nachricht, die ich Euch zugesichert hatte, Vater. Sie betrifft Euren Arbeiter, ich nehme an, es handelt sich dabei um den Mann hier«, antwortete sie, während sie den Kopf leicht in die Richtung des Arbeiters neigte.
    »Geht es um Herrn Randolfs Rückkehr? Dann kommein wenig näher, Guntram, und höre, was meine Tochter zu berichten hat.«
    Falls der Mann überrascht war, dass es sich bei der Besucherin um die Tochter seines Arbeitgebers handelte, so ließ er es sich nicht anmerken.
    Nachdem Henrika ihr Wissen kundgetan hatte, war Guntram die Enttäuschung deutlich anzusehen. Er bedankte sich höflich und ging mit hängenden Schultern zurück an seinen Arbeitsplatz.
    Clemens folgte ihm nach kurzem Zögern und legte eine Hand auf die Schulter des blonden Mannes. »Da du nun noch eine Weile bleiben wirst, könnte ich dir morgen die Hammerprägung zeigen.«
    Guntram presste die Lippen aufeinander und nickte stumm, dann nahm er die beiden Werkzeuge wieder zur Hand und fuhr mit seiner Arbeit fort.
    Henrika umarmte ihren Vater, der ebenfalls noch zu arbeiten hatte, und versprach, am nächsten Tag bei ihrer Großmutter vorbeizuschauen, da die alte Dame sich bereits zu Bett begeben hatte. Die junge Frau hatte es eilig, denn sie wollte vor Einbruch der Dunkelheit noch etwas erledigen. Wie aus heiterem Himmel war ihr ein Gedanke gekommen, der sie seitdem nicht mehr losließ, und es drängte sie danach, den Plan, der

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