Die Tochter des Münzmeisters
sich nach und nach in ihrem Kopf zusammenfügte, in die Tat umzusetzen.
Der Zufall wollte es, dass Henrika zusammen mit Albrun das Haus verließ. Die junge Mutter schlief seit der Geburt ihres Kindes nur noch gelegentlich in der kleinen Kammer im Haus des Münzmeisters und war auf dem Weg nach Haus. Henrika erkundigte sich nach dem Wohlergehen ihrer kleinen Tochter, und nach einer kurzen Plauderei verabschiedete sie sich vor den Pferdeställen, in denen die Tiere von des Königs Rittern untergebracht waren.
Henrika hatte Glück, denn mindestens zwei Jungen waren emsig damit beschäftigt, frisches Stroh zu verteilen.
»Weiß einer von euch, wo ein gewisser Dietbert von Hanenstein sein Quartier hat? Er ist heute erst eingetroffen.«
Der ältere von beiden schüttelte nur mürrisch den Kopf, aber der andere, ein aufgeweckt wirkendes Bürschchen von vielleicht neun Jahren, trat einen Schritt vor. »Wo er wohnt, weiß ich nicht, aber Ihr findet ihn dort hinten, bei seinem Pferd«, antwortete er, nicht ohne gewissen Stolz in der Stimme.
Henrika blickte in die angegebene Richtung, und im selben Moment lugte hinter einer Holzwand der Kopf des Gesuchten hervor, auf dessen Antlitz sich Überraschung widerspiegelte.
Henrika straffte sich und ging mit energischen Schritten auf ihn zu. »Habt Ihr einen Augenblick Zeit? Ich würde Euch gerne etwas fragen«, sagte sie kühl und hielt dabei gebührenden Abstand.
Dietbert verbeugte sich und legte den Beutel, den er in der Hand trug, auf den strohbedeckten Boden. »Für Euch habe ich immer Zeit, edles Fräulein. Sagt, wie kann ich Euch helfen?«, fragte er und blickte sie mit offener Bewunderung an.
Henrika war das äußerst unangenehm, und mit einem Mal war sie sich nicht mehr sicher, ob ihr Plan wirklich so gut war. Doch nun war es zu spät für eine Umkehr. Um nicht länger als nötig in seiner Gegenwart zu verweilen, brachte sie ihre Frage auf direktem Weg vor. »Habt Ihr den Überfall auf den Hof meines Onkels veranlasst?«
Die Bewunderung wich schlagartig Verblüffung, die so echt wirkte, dass sie Henrikas Ansicht nach unmöglich gespielt sein konnte.
»Wie? Euer Onkel? Ich verstehe nicht ganz«, gab Dietbert schließlich von sich.
»Ja, mein Onkel Goswin! Vielleicht erinnert Ihr Euch dunkel, dass Ihr ihn damals zu Pfingsten schwer verletzt habt. Wolltet Ihr nun zu Ende bringen, was Euch damals misslungen ist? Habt Ihr deshalb Euren widerwärtigen Helfer mit seinen Männern losgeschickt?«, brach es heftig aus Henrika hervor.
»Ich habe es schon bei unserem letzten Gespräch nicht abgestritten, dass ich an der Verletzung Eures Onkels die Schuld trage. Aber ich versichere Euch, dass ich von einem Überfall auf Eure Verwandten nichts weiß! Mein Vater und ich mussten nach dem Überfall auf Eure Familie meinem Onkel schwören, dass wir sie künftig in Ruhe lassen. Glaubt mir, ich würde es nicht wagen, einen Schwur gegen den Grafen von Northeim zu brechen, seine Rache würde alles übersteigen, was in meiner Vorstellungskraft liegt. Außerdem wisst Ihr um meine Gefühle für Euch. Glaubt Ihr allen Ernstes, ich würde Euch so etwas antun?«
Die selbstbewusste Haltung fiel von Henrika ab, und sie zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, flüsterte sie, »aber auf jeden Fall war Azzo dabei. Immerhin hat er dafür bezahlt.«
Dietbert, der merkte, dass Henrika ein wenig durcheinander war, griff nach ihrer Hand und führte sie an seine Lippen. »Ich habe schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu diesem Ungeheuer, und wenn er tot ist, wie Ihr sagt, so danke ich Euch dafür«, murmelte er und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken.
Die junge Frau starrte ihr Gegenüber entgeistert an und zog ruckartig die Hand weg. »Dankt nicht mir, sondern Randolf von Bardolfsburg. Ich nehme an, er ist Euch nicht unbekannt«, erwiderte sie eisig.
Dietberts Gesichtszüge verhärteten sich, als Henrika den verhassten Namen aussprach, und er griff erneut nach ihrem Handgelenk. Bevor sie protestieren konnte, zog er sie dicht an sich heran und sagte leise mit warnender Stimme: »Selbstverständlich kenne ich ihn. Ihm habe ich es zu verdanken, dass der König meinen Antrag rigoros abgelehnt hat, nachdem er einer Ehe mit Euch zunächst zugestimmt hatte.«
Henrika atmete tief durch und straffte sich wieder, um Kraft für ihre zweite Frage zu sammeln. »Es gibt noch etwas, was ich wissen möchte. Ich nehme an, Ihr wisst von den Verleumdungen, die über
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